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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman
Autoren: Jessica Thompson
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blutunterlaufen, und das Haar hängt schlaff herunter nach einem Angriff der beiden Verbündeten Wetter und Luftverschmutzung – aber ich fühle mich inspiriert. Wenn ich mich ins Bett lege, kann ich den nächsten Morgen kaum abwarten, so unbedingt will ich weitermachen. Auch wenn die erste Stunde nach dem Aufwachen ganz schön schmerzhaft ist.
    Nachdem ich fünf Minuten lang durch die Menschenmengen getanzt bin, ist es nicht mehr weit bis zu meinem Arbeitsplatz in dem kleinen, modernen Gebäude in der geschäftigen Nebenstraße. Es befindet sich zwischen zwei Restaurants, einem Italiener und einem Inder. Ihre aromatischen, knoblauchreichen Kochdünste schaffen es immer wieder, bis in unsere Klimaanlage vorzudringen, und so verbringe ich die meiste Zeit des Tages in einem Stadium des fortgeschrittenen Appetits.
    Hinter dem Bürogebäude liegt ein kleiner Parkplatz mit einer Bank mittendrin, und dort sitzt oft ein Obdachloser.
    Auch heute ist er wieder da, und als mir klar wird, dass ich an ihm vorbeimuss, werde ich nervös.
    Schon an meinem allerersten Tag hier habe ich ihn bemerkt. Es wäre allerdings auch schwierig gewesen, ihn nicht zu bemerken, da er mich mit seinem kleinen, hungrigen Mund, den man zwischen all den braunen und schwarzen Streifen in seinem verwitterten Gesicht kaum sah, einfach ansprach.
    »Hast du ’n bisschen Kleingeld über, Schatz?«, fragte er, und in seinen Augen schimmerte Hoffnung.
    Doch ich wandte mich ab und ging an ihm vorbei. Ich weiß generell nie, wie ich mich in solchen Situationen verhalten soll, und in dem Moment hatte ich sowieso ganz andere Dinge im Kopf.
    Er sieht weder verrückt aus, noch macht es den Eindruck, als ob er Drogen nimmt. Er erfüllt keins dieser Klischees. Manchmal lächelt er mir sogar zu, und ich lächle zurück. Doch nie nehme ich mir die Zeit, mit ihm zu reden. Ich weiß, dass das blöd ist.
    Aber ich habe Angst vor ihm und vor dem, was ihm in seinem Leben widerfahren ist. Er hat einen eisigen Blick – so eisig, dass es einem kalt den Rücken runterläuft. Ich sehe nicht gern in diese Augen, deshalb wende ich mich ab.
    Nachdem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, erkundigte ich mich am Empfang nach ihm.
    »Von wem sprechen Sie eigentlich?«, quiekte die hohe Stimme der blonden Empfangsdame mittleren Alters, die hinter dem Tresen stand.
    »Na, von dem Typen, der auf unserem Parkplatz sitzt«, erklärte ich.
    »Hmm, ich glaube nicht, dass wir heute jemanden erwarten«, entgegnete sie und blätterte durch die Papiere, die vor ihr lagen.
    Empfangsdame Nummer zwei meldete sich zu Wort: »Ach, Sandra, du weißt doch, wen sie meint – den Tanzenden Pete.«
    »Den Tanzenden wer?«
    »Na, der obdachlose Kerl, der immer da hinten schläft.«
    »Tanzend? Wieso tanzend? Ich habe ihn noch nie tanzen sehen. Du meine Güte!«
    Die beiden Damen begannen ein frustrierend langsames Gespräch. Es war, als sähe man zwei Pfauen zu, die hinter einer Glasscheibe sinnlos vor sich hin glucksten und darauf warteten, dass jemand sie niederstreckte und zu exotischen Handtaschen verarbeitete.
    »Ein Obdachloser? Ich wusste nicht, dass wir davon auch einen haben«, kreischte Sandra, als rede sie über eine neue Frankiermaschine oder den allerneusten Fotokopierer.
    »Do-och. Er hängt da jetzt schon zwei Jahre rum. Bist du blind?«
    Ich ging, obwohl sie noch mitten im Gespräch waren. Doch sie bemerkten es kaum.
    Aber heute Morgen belastet mich die Situation auf einmal wieder. Es beginnt, als ich über den Parkplatz zu unserem Hintereingang gehe. Ich fahre zwar selbst kein Auto, aber wenn man über den Parkplatz läuft, kürzt man den Weg ab und spart Zeit.
    Er sitzt auf der Bank, den Kopf in die Hände gelegt. Als ich näher komme, blickt er auf. Sein Gesicht ist so traurig wie eh und je.
    »’tschuldigung«, ruft er, als ich wieder einmal versuche, mich an ihm vorbeizuschleichen. Ich ziehe eine Grimasse, denn obwohl ich unbemerkt bleiben möchte, bemerkt er mich jedes Mal.
    Als ich stehen bleibe, stelle ich fest, dass ich genau neben der Bank angehalten habe. Trotzdem starre ich weiter Richtung Eingang, damit es bloß nicht zu einem Blickkontakt kommt.
    »Ja?«, sage ich leise und bereue es noch im gleichen Augenblick.
    »Hast du was Kleingeld über?«, fragt er wie immer – als würde die Antwort diesmal anders ausfallen.
    Ich erwidere nichts und gehe rasch weiter, ziehe meinen Ausweis durch das Lesegerät, um die Glastür zu öffnen, und trete in den Lift. Ich höre noch, wie
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