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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman
Autoren: Jessica Thompson
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spähe ich über den Rand der Zeitung, und er muss meinen Blick spüren, denn er schaut ebenfalls in meine Richtung.
    Unsere Blicke treffen sich, und für ein paar Sekunden steht nichts zwischen uns – außer vierzig Seiten gräuliches Umweltpapier, zwei Meter stickige Waggonluft und ein dicker Mann links neben mir, der jeden Augenblick einnicken wird.
    Das ist einer dieser Hollywoodmomente, wie man sie aus dem Kino kennt, nur bin ich weder blond, noch trage ich Kleider in Größe XXS.
    Er ist womöglich einer der attraktivsten Männer, die ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.
    Wenn man wie ich in London lebt, bemerkt man irgendwann, dass die Stadt zwar vor Menschen aller Formen und Größen fast aus den Nähten platzt, man aber trotzdem so gut wie nie jemanden sieht, der einen einfach umhaut.
    In Zügen versuchen die meisten, sich in ein Buch zu vertiefen, sich hinter einer Zeitung zu verstecken oder ins Reich der Musik zu entschwinden. Sie gehen achtlos aneinander vorbei. Tatsächlich Kontakt herzustellen – und dann auch noch einen freundlichen – kommt fast einem Wunder gleich. Also los.
    Entweder blamiere ich mich jetzt völlig, oder wir erzählen eines Tages unseren Hochzeitsgästen davon, wie wir uns wegen eines Nagetiers mit einer Vorliebe für Wassersport kennengelernt haben. Das schlägt die üblichen Geschichten von Blind Dates oder einem Treffen im Fitnessstudio um Längen.
    Tief Luft holen …
    Eichhörnchen?
    Ich hauche es ihm zu; unhörbar bilde ich mit den Lippen langsam dieses alberne Wort und ziehe dabei fragend die Augenbrauen hoch.
    Die Zeit scheint zu verschwimmen wie in einem zu langsam abgespielten Filmclip; ich höre meinen eigenen Herzschlag in den Ohren. Mist, Mist, verdammter Mist …
    Doch plötzlich streckt er einen Daumen hoch, und der hinreißendste Mann in dieser Stadt – womöglich sogar auf der ganzen Welt – zeigt mir sein Exemplar der Metro und deutet auf unseren pelzigen Amor.
    Er beißt sich auf die Unterlippe, damit er nicht laut anfängt zu lachen. Eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne wird sichtbar. Ganz schön sexy.
    Ich lasse ein kokettes Grinsen aufblitzen und wende den Blick ab. Mein Herz rast in meiner Brust.
    Bleib. Jetzt. Cool.
    Dann tue ich so, als lese ich weiter in der Zeitung, blättere aber schnell die Bildgeschichte um, weil ich sonst so sehr lachen müsste, dass mir der Tee aus der Nase schießen würde – und das könnte dann doch den coolen Eindruck ruinieren, den ich erwecken möchte.
    In dem Bewusstsein, dass ich meine eigenen Grenzen längst überschritten habe, als ich das Ganze inszeniert habe, lese und lese ich, als wäre er mir egal, und überlege dabei krampfhaft, was ich als Nächstes tun soll.
    Der Zug hält, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich aus dem Augenwinkel immer noch die leuchtend grüne Farbe seines T-Shirts sehe. Ich muss versuchen, ihn nicht anzuschauen.
    Gott segne das periphere Sehen.
    Schon bald sind fünf Minuten vergangen, und ich bin zuversichtlich, dass es nun in Ordnung ist, Blickkontakt Nummer zwei herzustellen.
    Doch als ich zu dem Platz meines gut aussehenden Fremden hinübersehe, sitzt dort zu meinem Entsetzen ein älterer Herr in einer erbsengrünen Jacke. Das Pärchen ist auch weg. Schnell reiße ich den Kopf herum und suche den vorderen und den hinteren Teil des Waggons nach ihm ab; zur Sicherheit wiederhole ich das Ganze noch einmal. Doch er ist verschwunden.
    Der Rentner auf seinem Platz scheint erfreut und gleichzeitig erstaunt zu sein über meine Aufmerksamkeit. Dich meine ich aber nicht, Alter …
    Toll, denke ich und betrachte meine Füße. Da geht er dahin, der Mann meiner Träume.
    Rasch begreife ich, wie naiv meine kleine Träumerei war, und schäme mich. War sowieso ’ne blöde Idee, sage ich mir. Es gruselt mich richtig, wenn ich daran denke, dass ich innerhalb weniger Minuten auf der Liebesskala von null auf sechzig geschossen bin – das passt überhaupt nicht zu mir.
    Außerdem war er wahrscheinlich sowieso ziemlich irre. Lacht über Eichhörnchen! So weit kommt’s noch, tröste ich mich.
    Doch ich bin eine verzweifelte Romantikerin. Ich liebe die Vorstellung von der zufälligen Kollision der Herzen. Ich sehne mich eher nach solchen absonderlichen Begegnungen als danach, auf konventionelle Art in der Kneipe angebaggert und für eine Nacht trunkener Fummelei mit einem Mann, den ich zudem kaum kenne, abgeschleppt zu werden. Am schrecklichsten ist der Satz: »Wir kamen ins Gespräch, als wir
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