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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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ihrer Freiheit, wie Bild gemeldet hatte.
    Mannhardt hielt es für das Beste, auf den Z-und-Z-Effekt zu bauen (Zeit und Zufall). Und da er seine und Kochs Morgenzeitung schon gelesen hatte, aber um Gottes willen nicht einschlafen durfte, zog er den Band 11 seiner Fontane-Gesamtausgabe aus der Aktentasche. Frau Jenny Treibet… Bis Weihnachten wollte er mit Fontane durch sein, wenigstens mit den wichtigsten Romanen. Aber zu Hause kam er nicht zum Lesen; entweder er mußte den Rasen mähen und die Regenrinne reparieren oder mit Elke Federball und mit Michael Tischtennis spielen. Für den Rest der Zeit hatte Lilo ihn gepachtet.
    Das Lesezeichen, ein Schnürsenkel, den er vor Wochen und an irgendeinem Tatort eingesteckt haben mußte, ließ ihn die Seite 50 aufschlagen. Unter den letzten, die, den Vorgarten passierend, das kommerzienrätliche Haus verließen, waren Marcell und Corinna. Diese plauderte nach wie vor in übermütiger Laune… Jetzt mit einem Mädchen wie Corinna durch den Tiergarten rudern, sie ihm gegenüber auf der hinteren Bank, im Mini…
    Er hatte kaum drei Zeilen gelesen, da wurde die Tür seines Büros aufgerissen.
    «Aufwachen!»
    Mannhardt stöhnte. Seit man Koch vom Kriminalmeister zum Kriminalobermeister befördert hatte, war er nicht mehr zu halten. Er grinste, als er Mannhardts Schreibtisch erreicht hatte.
    «Draußen im Gang liegt ein Toter!»
    Mannhardt wandte sich ab und schloß die Augen. Kochs Blödeleien gingen ihm langsam auf die Nerven. Zum Teufel mit allen Kollegen. Teamarbeit? Scheiße! Einmal im Leben was alleine machen können, mit keinem vorher und während und nachher rumquatschen müssen… Koch war ja ein netter Kerl, aber seine Munterkeit machte einen krank.
    Ein verkorkster Tag heute.
    Das Telefon schnarrte. Sicherlich Lilo. Liebling, weißt du vielleicht, wo ich meine Sonnenbrille hingelegt habe? Er hatte ihr hundertmal gesagt, sie möchte ihn nicht andauernd im Dienst anrufen. Er riß den Hörer hoch und brummte:
    «Ja – Mannhardt…»
    Doch es war nicht Lilos überdrehter Sopran mit einer Suchmeldung, sondern ein leicht krächzender Bariton:
    «Du wirst es nie zu Tücht’gem bringen bei deines Grames Träumerein, die Tränen lassen nichts gelingen, wer schaffen will, muß fröhlich sein.»
    Dr. Weber, seines Zeichens Kriminaloberrat, sein Vorgesetzter. Mannhardt war verblüfft. Was sollte das?
    «Steht auf meinem Abreißkalender heute», sagte Dr. Weber. «Wissen Sie, von wem das ist?»
    «Nein.»
    «Sollten Sie aber!»
    «Ich?» Mannhardt schwitzte; sie alle fürchteten Webers Einleitungen. «Wieso?»
    «Na, ich bitte Sie! Was dem Maigret die Pfeife, ist dem Mannhardt der Fontane.»
    Mannhardt wurde rot. Mein Gott, das hatte sich nun auch schon rumgesprochen, daß er im Dienst… «Ich… ich…» Absolute Leere; keine geistreiche Erwiderung. Die fiel ihm totsicher heute abend ein.
    «Nun», lachte Dr. Weber, «besser den Fontane geöffnet als die Fontanelle! Sagen Sie, wo war Fontane bei seinen Wanderungen durch die Mark überall?»
    Mannhardt überlegte. «Rheinsberg, Chorin… die Klöster… Königswusterhausen…»
    «In Kladow draußen nicht?»
    «Nein, nicht daß ich wüßte.»
    «Schade – sonst könnten Sie mal dienstlich auf seinen Spuren wandeln. Gößweinsteiner Gang heißt die Straße. Da hat man einen Mann in seiner Blutlache gefunden…»
    Koch, der mithörte, grinste und murmelte: «Sage ich doch: draußen im Gang liegt ein Toter.»
    Mannhardt sah ihn drohend an und wandte sich zum Fenster. «Soll ich sofort rausfahren, Herr Doktor?»
    «Das wäre zu überlegen. Sie können auch 1984 fahren, aber da hat’s vielleicht nicht mehr viel Sinn…»
    Es kamen noch ein paar Informationen, die Mannhardt kaum noch wahrnahm; dann knackte es, und Dr. Weber hatte aufgelegt.
    Mannhardt starrte aus dem Fenster. Sein Leben war ein einziger Alptraum. Obwohl er sich schon tausendmal vorgenommen hatte, zu kontern und Weber seinen Sarkasmus mit gleicher Münze heimzuzahlen: jedesmal drehte er von neuem durch, jedesmal war irgendwas in seinem Großhirn blockiert.
    Dasselbe wie vor zwanzig Jahren beim Abitur, als er während der Englischprüfung, den bissigen Schulrat zwei Meter und die Fünf drohend vor sich, den Satz Honesty is the best policy in seiner Not und Verzweiflung statt mit Ehrlich währt am längsten mit Die Polizei kommt mit Ehrlichkeit am weitesten übersetzt hatte. Das schallende Gelächter der Pädagogen hatte er noch heute in den Ohren… Das System hatte
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