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Ein Toter fuehrt Regie

Ein Toter fuehrt Regie

Titel: Ein Toter fuehrt Regie
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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mochte, konnten sich keinen besseren Kameraden wünschen; wer aber aus irgendeinem Grunde auf seiner Abschußliste stand, mußte auf alles gefaßt sein.
    Brockmüller war es bisher gelungen, zur ersten Kategorie zu gehören.
    Kuhring erzählte noch zwei Witze, die er gestern abend während der Vorstandssitzung aufgeschnappt hatte, dann zog er sich in sein Zimmer zurück, um die Morgenblätter zu überfliegen. Teils war das Luxus, teils war’s für diesen Job unerläßlich, sich mit Informationen vollzusaugen.
    Brockmüller war mit seiner Zeitung am Ende, hatte aber wenig Lust, vor dem Frühstück an seinem Bericht über die Vertriebsbüros herumzubasteln. So schloß er die Augen und döste vor sich hin. Bald schwebte er zwischen Tag und Traum…
    Heute wirst du sterben.
    Er schreckte auf. Sein Herz schlug schnell und hart, sein Kopf schien sich ruckweise vom Körper zu entfernen. Er schnellte hoch, riß das Fenster auf… Vegetative Dystonie; sonst war er kerngesund… Nachdem er ein paarmal tief durchgeatmet hatte, ging es wieder.
    Brockmüller war am Fenster stehengeblieben und sah, wie ein weinroter Mercedes die Einfahrt hinauffuhr. Der Fahrer, ein braungebrannter Protz in grauem Flanell, war offenbar glücklich, einen Parkplatz gefunden zu haben. Zufrieden zog er ab. Brockmüller, der die Kette für Kuhring unten gelassen hatte, feixte. Er wußte, was jetzt kam. Kuhring, der den Vorgang ebenfalls beobachtet hatte, lief nach unten, legte die Kette vor und sicherte sie mit dem Vorhängeschloß.
    «Der wird Augen machen, wenn er nicht mehr rauskommt», lachte er. «Laßt ihn man ordentlich schmoren.»
    Brockmüller setzte sich wieder und wußte nicht, was er anfangen sollte. Die Zeitung hatte er ausgelesen, ein weiteres Dahindösen war nur mit neuen Angstzuständen verbunden, und zur Formulierung seines Berichts fehlte ihm der rechte Impetus. So griff er zu einer Broschüre über Sinn und Zweck moderner Organisationskonzeptionen, die gestern auf seinem Schreibtisch gelandet war. Das Konzept der Matrix-Organisation entstammt dem militärischen und astronautischen Bereich der USA, wo man nach dem Zweiten Weltkrieg das Projektmanagement eingeführt hat. So versteht man die Matrix-Organisation in der Literatur auch heute als eine Organisationsform des Projekt- bzw. Produktmanagements … Mein Gott, so ging das Seite für Seite. Für ihn selbst war der erste und wichtigste Schritt der Neuorganisation der E UROMAG die Auflösung der Sondergruppe für Systemplanung. Aber tapfer las er weiter. Entscheidend ist, inwieweit Projekt- und Produktmanager mit dem Problem der geteilten Autorität fertig werden… Welche Erleuchtung! Er schmiß die Broschüre in die Ecke.
    Trotz des Risikos, das damit verbunden war, zog er den Kriminalroman aus der Aktentasche, den Annelie ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Das, was dieser -ky da geschrieben hatte, hätte er wie tausend andere auch sicherlich besser gemacht, aber da die Story teilweise an der FU spielte, wo auch er studiert hatte, wollte er den Scheiß wenigstens zu Ende lesen… Er schreckte erst hoch, als die Lux mit ihren Vorbereitungen fertig war und nach oben schrie:
    «Es kann gefrühstückt werden!»
    Mist! Er hatte, schlecht wie er sich fühlte, nicht den geringsten Hunger. Aber es war unmöglich, sich vom gemeinsamen Frühstück auszuschließen, wollte man sich nicht den Zorn der Kollegen zuziehen.
    So begann ihr allmorgendlicher Abstieg ins Sitzungszimmer, wo Fräulein Lux alles hergerichtet hatte. Den Plastikbeutel mit den belegten Broten und dem Apfel in der Hand, begaben sie sich zu ihren Preußischblau gepolsterten Stühlen. Seit ihrem Einzug in dieses Gebäude hatte jeder seinen Stammplatz. So saßen sie Tag für Tag wie folgt um den langen Konferenztisch herum: Brockmüller, Zumpe, Kuhring, Ossianowski und die Lux.
    Brockmüller trank koffeinfreien Pulverkaffee, die Sekretärin Hagebuttentee; beides wurde schon in der kleinen Küche oben hergerichtet und – meist leicht übergeschwappt – hereingetragen. Für die drei alten Euromagger – Brockmüller und die Lux waren ja erst seit kurzem hier und damit ein wenig zweitklassig – war die große Teekanne bestimmt, die auf Kuhrings Tischsegment dampfte. Der Ritus war noch nie geändert worden: erst goß sich Kuhring den Tee ein, dann Zumpe, dann Ossianowski. Fräulein Lux hätte es liebend gern selber getan, durfte aber ihres Zitterns wegen nicht. Dafür tat sie den Herren jeweils zwei Stück Zucker in
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