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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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bewahrte sich sein fröhliches, amüsiertes Lächeln, seine Gelassenheit. Er war damals oft zu Hause und brachte sogar Freunde mit.
    Inzwischen hatten Johnny und Frances sich scheiden lassen, und kurz darauf hatte er richtig und offiziell geheiratet, mit einem Hochzeitsfest, an dem die Genossen teilnahmen und Julia auch. Sie hieß Phyllida, und sie war keine Genossin, aber er sagte, sie sei gutes Material und er werde eine Kommunistin aus ihr machen.
     
    Diese kleine gemeinsame Geschichte war der Grund, aus dem Frances den anderen den Rücken zuwandte und in einem Eintopf rührte, in dem man eigentlich nicht rühren musste. Die Reaktion kam erst jetzt: Ihre Knie zitterten, und in ihrem Mund schien nur Säure zu sein, nun, da ihr Körper die schlechte Nachricht aufnahm, viel später als ihr Geist. Sie war wütend, das wusste sie, und hatte ein Recht darauf, aber sie war auf sich selbst noch wütender als auf Johnny. Wenn sie sich erlaubt hatte, drei Tage in einem verrückten Traum zu verbringen, bitte sehr – aber wie hatte sie die Jungen mit hineinziehen können? Doch schließlich war es Andrew gewesen, der ihr das Telegramm gebracht hatte, der gewartet hatte, bis sie es ihm zeigte, und der gesagt hatte: »Frances, dein abtrünniger Ehemann wird endlich das Richtige tun.« Er hatte sich leicht auf eine Stuhlkante gesetzt, ein blonder, attraktiver junger Mann, wie ein Vogel kurz vor dem Abflug. Andrew war groß und wirkte dadurch noch dünner, seine Jeans saß locker an seinen langen Beinen, und die langen, eleganten, knochigen Hände lagen mit den Handflächen nach oben auf seinen Knien. Er lächelte sie an, und sie wusste, er meinte es nett. Sie gaben sich Mühe, miteinander auszukommen, aber in seiner Gegenwart war sie noch immer nervös, weil er sie jahrelang abgelehnt hatte. Ihr Sohn hatte »dein Mann« gesagt, er hatte nicht »mein Vater« gesagt. Zu Johnnys neuer Frau Phyllida war er freundlich, berichtete aber, sie sei ziemlich langweilig.
    Dann hatte er ihr zu ihrer Rolle in dem neuen Stück gratuliert und sich ganz reizend über Briefkastentanten lustig gemacht.
    Und auch Colin war liebevoll gewesen, was bei ihm selten war, und hatte seinen Freunden am Telefon von dem neuen Stück erzählt.
    Ja, es war schlimm für sie beide, es war ganz
schrecklich
, aber im Grunde nur ein weiterer kleiner Schlag nach so vielen Jahren der Schläge. Das sagte sie sich und wartete darauf, dass ihre Knie wieder an Kraft gewannen, während sie die Augen schloss, sich mit einer Hand am Rand einer Schublade festhielt und mit der anderen im Eintopf rührte.
    Hinter ihr ließ sich Johnny über die kapitalistische Presse und deren Lügen über die Sowjetunion aus, über Fidel Castro und wie falsch er dargestellt wurde.
    Johnnys Kritik und sein Wortschatz hatten Frances in all den Jahren kaum berührt, und das zeigte sich daran, dass sie kürzlich nach einem seiner Vorträge gemurmelt hatte: »Das scheint ja ein ziemlich interessanter Mensch zu sein.« Johnny hatte sie angeschnauzt: »Ich glaube nicht, dass es mir gelungen ist, dir etwas beizubringen, Frances, du bist unbelehrbar.«
    »Ja, ich weiß, ich bin dumm.« Worte, die an jenen großen, ursprünglichen und gleichzeitig endgültigen Augenblick erinnerten, in dem Johnny zum zweiten Mal zu ihr zurückgekommen war und erwartet hatte, dass sie ihn aufnahm: Er hatte geschrien, sie sei ein politischer Kretin, eine dämliche Kleinbürgerin, ein Klassenfeind, und sie hatte gesagt: »Das stimmt, ich bin dumm, und jetzt raus.«
    Unmöglich konnte sie länger dort stehen bleiben, in dem Wissen, dass die Jungen sie nervös und nicht zuletzt um ihretwillen verletzt beobachteten, auch wenn die anderen Johnny mit vor Liebe und Bewunderung glänzenden Augen anstarrten.
    Also sagte sie: »Sophie, hilf mir mal.«
    Sofort zeigten sich helfende Hände, erst Sophies und dann die der anderen auch, und das Essen wurde auf den Tisch in die Mitte gestellt. Es roch wunderbar, als die Deckel abgenommen wurden.
    Sie setzte sich an das Kopfende des Tisches, war froh, sitzen zu können, und vermied es, Johnny anzusehen, der als Einziger nicht Platz genommen hatte. Ringsum waren alle Stühle besetzt, aber es standen noch mehr an der Wand, und wenn er wollte, konnte er sich einen nehmen und sich setzen. Ob er das tun würde? Er tat es oft, was sie wütend machte, obwohl er offensichtlich glaubte, es wäre ein Kompliment. Nein, heute Abend hatte er Eindruck gemacht und genügend Bewunderung gefunden
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