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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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nicht viel, aber genug. Die Jungen waren inzwischen zehn und acht. Sie waren nicht gut in der Schule, und es gab ständig Ärger dort.
    »Was erwartest du denn?«, fragte Julia.
    »Ich erwarte nie irgendwas«, sagte Frances.
    Mit einem Mal änderte sich alles dramatisch. Frances hörte zu ihrem Erstaunen, dass Genosse Johnny damit einverstanden war, Andrew auf eine gute Schule zu schicken. Nach Eton, wenn es nach Julia ging, weil ihr Mann dort gewesen war. Zunächst erwartete Frances, dass Johnny Eton ablehnen würde, und dann erfuhr sie, dass auch Johnny dort gewesen war und dass er es geschafft hatte, diesen nachteiligen Umstand all die Jahre zu verheimlichen. Julia erwähnte es nicht, weil seine Karriere in Eton weder für ihn noch für seine Familie ruhmreich gewesen war. Nach drei Jahren hatte er die Schule abgebrochen, um in den Spanischen Bürgerkrieg zu ziehen.
    »Willst du damit sagen, du freust dich für Andrew, dass er auf diese Schule geht?«, fragte ihn Frances am Telefon.
    »Na ja, zumindest kriegt man eine gute Ausbildung«, sagte Johnny fröhlich, und sie konnte hören, was er nicht aussprach: Schau, was es mir gebracht hat.
    Also zog Andrew aus den ärmlichen Zimmern aus, in denen seine Mutter und sein Bruder wohnten, ging nach Eton – Julia bezahlte – und verbrachte die Ferien mit Freunden. Er wurde ein höflicher Fremder.
    Einmal fuhr Frances zur Abschlussfeier eines Schuljahrs nach Eton, in neuen Kleidern, die ihrer Vorstellung nach dem Anlass entsprachen, und mit dem ersten Hut, den sie je getragen hatte. Gut so, dachte sie, und konnte sehen, dass Andrew erleichtert war, als er sie sah.
    Dann kamen Leute und fragten nach Julia, Philips Witwe, und nach der Schwiegertochter von Philips Vater. Ein alter Mann erinnerte sich an ihn als kleinen Jungen. Anscheinend gingen die Lennox’ ganz selbstverständlich nach Eton. Auch fragte man sie nach Johnny oder Jolyon. »Interessant …«, sagte ein Mann, der Johnnys Lehrer gewesen war. »Eine interessante Karrierewahl.«
    In den folgenden Jahren fuhr Julia zu den offiziellen Anlässen, wo man zu ihrer Überraschung großes Aufhebens um sie machte: Als sie Eton in den drei kurzen Jahren besucht hatte, in denen Johnny dort gewesen war, hatte sie sich als Philips Frau verstanden, die ohne große Bedeutung war.
    Colin hingegen wollte nicht nach Eton, aus einer tiefen, komplizierten Loyalität seiner Mutter gegenüber, die er in all den Jahren hatte kämpfen sehen. Das bedeutete nicht, dass er nicht mit ihr zankte, stritt, diskutierte. In der Schule war er miserabel, und Frances war im Stillen überzeugt, dass er ihr absichtlich wehtun wollte. Seinem Vater gegenüber war er kalt und böse, zum Beispiel wenn Johnny dann und wann hereinschneite und sagte, es tue ihm so schrecklich leid, aber er habe wirklich kein Geld, das er ihnen geben könne. Schließlich war Colin einverstanden, auf eine progressive Schule zu gehen, auf das St. Joseph’s, und wieder bezahlte Julia.
    Dann machte Johnny einen Vorschlag, auf den Frances einging: Julia würde ihr und den Jungen den unteren Teil ihres Hauses überlassen. Sie brauche nicht so viel Platz, es sei lächerlich …
    Frances dachte an Andrew, der zu den verschiedenen verwahrlosten Adressen zurückkehrte oder auch nicht und natürlich nie Freunde mitbrachte.
    Sie dachte an Colin, der kein Hehl daraus machte, wie sehr er verabscheute, wie sie wohnten. Sie sagte ja zu Johnny, ja zu Julia und fand sich wieder in einem riesigen Haus, das Julia gehörte und ihr immer gehören würde.
    Aber sie wusste, was sie das kostete. Die ganze Zeit hatte sie sich ihre Unabhängigkeit bewahrt, für sich und die Jungen bezahlt und kein Geld von Julia angenommen, auch nicht von ihren Eltern, die ihr gerne geholfen hätten. Jetzt war sie hier, und das war die endgültige Kapitulation: Was für andere Leute »ein wirklich vernünftiges Arrangement« war, war eine Niederlage. Sie war nicht mehr sie selbst, sie war ein Anhängsel der Familie Lennox.
    Was Johnny anging, so hatte er getan, was man von ihm erwarten konnte. Wenn seine Mutter ihm sagte, er solle seine Söhne unterstützen, sich eine Stelle suchen, bei der er ein Gehalt bekomme, schrie er sie an, sie sei ein typisches Mitglied der Ausbeuterklasse und denke nur an Geld, während er für die Zukunft der ganzen Welt arbeite. Sie stritten häufig und lautstark. Wann immer Colin zuhörte, wurde er weiß und still und ging für Stunden oder Tage aus dem Haus. Andrew dagegen
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