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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition)
Autoren: Doris Lessing
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die progressiven und demokratischen Kräfte ihn boykottieren sollten. Bald trug er allerdings Uniform und stand in denselben Sälen vor demselben Publikum und ermahnte es, seinen Teil beizutragen, denn jetzt war es ein Krieg gegen den Faschismus, weil die Deutschen die Sowjetunion angegriffen hatten. Es gab Leute, die pfiffen und protestierten, und es gab die Anhänger; es gab Buhs und lautes, brüllendes Gelächter. Johnny wurde verspottet, weil er sich hinstellte und die neue Linie der Partei so gelassen erklärte, als hätte er nicht vor Kurzem noch das genaue Gegenteil gesagt. Seine Ruhe beeindruckte Frances; er nahm die Feindseligkeiten durch seine Pose nicht nur an – sondern rief sie sogar hervor: die Arme ausgestreckt, die Handflächen nach vorne gekehrt, leidend für die harten Notwendigkeiten der Zeit. Er trug die Uniform der Royal Air Force. Er hatte Pilot werden wollen, aber seine Augen waren nicht gut genug, also war er Corporal, denn aus ideologischen Gründen hatte er es abgelehnt, Offizier zu werden. Er würde in der Verwaltung tätig sein.
    Das also war Frances’ Einführung in die Politik gewesen, oder vielmehr in Johnnys Politik. Es war schon eine Leistung, Ende der dreißiger Jahre jung zu sein und sich nicht für Politik zu interessieren, aber so war es. Sie war die Tochter eines Anwalts aus Kent. Durch das Theater kam sie mit dem Glamour in Berührung, mit dem Abenteuer, mit der großen Welt, zuerst in Schulaufführungen, dann im Laientheater. Sie hatte immer Hauptrollen gespielt, war jedoch auf den Typ der Englischen Rose festgelegt. Aber jetzt trug sie auch Uniform und gehörte zu den jungen Frauen, die dem War Ministry unterstellt waren und deren Aufgabe darin bestand, ranghöhere Offiziere herumzufahren. Attraktive junge Frauen in Uniform, die mit so einer Aufgabe betraut waren, hatten ihren Spaß, auch wenn dieser Aspekt des Krieges aus Takt oder gar aus Scham gegenüber den Toten gerne heruntergespielt wurde. Sie tanzte oft, dinierte, verlor ihr Herz mal an glamouröse Franzosen, Polen, dann wieder Amerikaner, aber Johnny und ihre qualvoll leidenschaftlichen Liebesnächte vergaß sie nicht, und das war nur der Auftakt für ihr späteres Verlangen nacheinander.
    Inzwischen war er in Kanada und betreute die Flieger der Royal Air Force, die dort ausgebildet wurden. Er war jetzt Offizier und machte sich gut, wie sie seinen Briefen entnahm; dann kam er als Berater für irgendein hohes Tier nach Hause, und er war Captain. Er sah so gut aus in seiner Uniform, und sie war so attraktiv in ihrer. Noch in derselben Woche heirateten sie; Andrew wurde empfangen, und damit war der Spaß vorbei, denn nun saß sie mit einem Baby in einem Zimmer, war einsam und hatte Angst vor den Bomben. Sie hatte eine Schwiegermutter bekommen, die furchterregende Julia, die aussah wie eine Dame der Gesellschaft aus einem Modemagazin des 19 . Jahrhunderts und die aus ihrem Haus in Hampstead – aus diesem Haus – herabstieg, um sich schockiert darüber zu zeigen, wie Frances wohnte, und um ihr einen Platz in ihrem Haus anzubieten. Frances lehnte ab. Sie war vielleicht nicht politisch, aber mit jeder Faser teilte sie das glühende Verlangen ihrer Generation nach Unabhängigkeit. Von ihrem Elternhaus aus war sie in ein möbliertes Zimmer gezogen. Und jetzt, wo sie kaum mehr als Johnnys Frau und die Mutter eines Babys sein durfte, war sie doch unabhängig und konnte sich abgrenzen durch diesen Gedanken, sich festhalten an ihm. Es war nicht viel, aber ihr Eigentum.
    Die Tage und Nächte zogen sich hin, und sie war von dem glamourösen Leben, das sie genossen hatte, so weit entfernt, als hätte sie ihr Elternhaus in Kent nie verlassen. Die letzten beiden Kriegsjahre waren hart, ärmlich, erschreckend. Das Essen war schlecht. Bomben, die man offenbar entwickelt hatte, um die Nerven der Menschen zu zerrütten, hatten bei ihr genau diese Wirkung. Kleider waren schwer zu bekommen und hässlich. Sie hatte keine Freunde und traf nur andere Mütter kleiner Kinder. Vor allen Dingen fürchtete sie, dass Johnny enttäuscht von ihr sein würde, wenn er nach Hause kam, von einer übergewichtigen, müden jungen Mutter, ganz anders als das schicke Mädchen in Uniform, in das er so wahnsinnig verliebt gewesen war. Und Folgendes passierte.
    Johnny hatte sich im Krieg gut gehalten und war aufgefallen. Niemand konnte behaupten, dass er nicht gescheit und schnell war, und seine politischen Ansichten spielten damals keine Rolle. Man bot
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