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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Autoren: Laura Mundson
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eigenen Schreckensfantasien von ihm und irgendeiner Frau in ihrer fantastischen Blockhütte
am See abhaken. Denn solche Überlegungen habe ich durchaus auch angestellt. Das will ich gar nicht leugnen. Und das, obwohl es keinerlei Indizien dafür gab. Oder Hinweispfeile, die mich an diese Schlussfolgerung erinnern.
    Jetzt ist vielleicht der richtige Moment, um Ihnen eine wichtige Frage zu stellen. Die ist ziemlich heikel, und vielleicht widerstrebt sie Ihnen zunächst. Trotzdem hätte ich gern, dass Sie versuchen, in Ihrem Herzen und Ihrem Verstand ganz offen zu sein, weil ich glaube, dass uns allen das weiterhilft. Diese Frage habe ich auch mir selbst mit der gleichen Offenheit gestellt, und ich kann Ihnen versichern, dass sie eine ziemlich massive Wirkung hat.
    Also, ich werde sie mir selbst auch noch einmal stellen: Wie wichtig ist es eigentlich für mich, exakt in diesem Augenblick zu wissen … und zwar klipp und klar … ob mein Mann eine außereheliche Affäre hat?
    Bleiben Sie bitte da – gehen Sie nicht weg. Bleiben Sie hier bei mir.
    Es ist eine so wichtige Frage, über die es sich lohnt nachzudenken. Wird sich eine unumstößliche Wahrheit auf meine Selbstverpflichtung, nicht zu leiden, auswirken? Und das meine ich gar nicht in Bezug auf meine Ehe. Vielmehr interessant ist, wie viel Macht dieses Wissen in diesem Moment hat.
    Denn was sollte ich mit dieser Information genau jetzt anfangen?
    Hätte er tatsächlich eine Affäre, wäre das für mich das Aus? Das automatische Ende unserer Ehe? Würde ich ihm Ultimaten stellen, ihn erst einmal rausschmeißen und die Familie auf den Hund bringen? Würde das meine Position irgendwie stärken? Im Sinne von – Aha! Jetzt kann ich dich endlich zwingen, eine Therapie zu machen, weil … weil … weil – Moment mal, warum eigentlich?

    Wenn ich ihm etwas nachsagen wollte, könnte ich das ohne große Mühe. Denn ist das Anzweifeln seiner Liebe zu mir nicht schon an sich ein Akt der Untreue? Eine Verletzung unseres Eheversprechens? Andererseits wirft es aber auch eine weitere Frage auf: Was ist bei »in guten wie in schlechten Zeiten« mit »schlecht« gemeint? Vielleicht wäre es eine nützliche Übung für Ehevorbereitungskurse, Beispiele dafür auflisten zu lassen. Obwohl ich, ehrlich gesagt, schon immer wusste, dass mit »in schlechten Zeiten« wirklich ganz schlechte Zeiten gemeint sein können.
    Was ich außerdem sicher weiß, ist Folgendes: Mein Mann steckt gegenwärtig in einer Krise, egal, ob er zusätzlich auch noch eine Affäre hat oder nicht. Egal, ob er mich liebt oder nicht.
    Ich liebe ihn jedenfalls.
    Lassen Sie uns also eine 180-Grad-Wende vornehmen. Was wäre, wenn ich es so sähe: Egal, was ihn dazu gebracht haben mag, nicht nach Hause zu kommen; es ist nur ein Symptom für etwas, das tiefer geht, ein seelisches Problem. Ein ganz persönlicher Schmerz, den ich ihm nicht abnehmen kann. Würde ich dann auch nur im Geringsten besser dastehen, wenn ich ihm Untreue vorwerfen, die Wahrheit aus ihm herauspressen oder einen Privatdetektiv engagieren und mich wie besessen auf eine mögliche Affäre kaprizieren könnte, für die es gar keine Indizien gibt? Sollte ich mir in einem unbeobachteten Moment sein Handy schnappen und nach verdächtigen SMS oder Telefonnummern suchen? Habe ich wirklich eine so schlechte Meinung von meinem Mann?
    Und dann möchte ich noch folgende Fragen aufwerfen: Was wäre ich in einem solchen Moment, wenn ich hinter ihm her schnüffle? Welche Integrität besäße ich dann noch? Und was würde das in meiner eigenen Seele anrichten?

    Lassen Sie mich auch diese Fragen noch stellen: Wie würde sich sein Handy in meiner Hand anfühlen? Wie Feuer? Als würde es ein Loch in meine Handfläche brennen? Ist das ein Leid, das man bereitwillig akzeptiert, um an eine gewisse Wahrheit zu gelangen? Und inwiefern wäre diese Wahrheit befreiend? Wie leidgewohnt sind wir überhaupt in unserem Alltag? Dürfte ich wagen zu behaupten, Leid wäre für uns zur Normalität geworden?
    Ich werde es nicht tun. Ich habe so etwas früher in anderen Bereichen meines Lebens schon gemacht – mir selbst vorgelogen, dass sich Leid bis zu einem gewissen Grad lohnen würde. Auf diese Lüge falle ich nicht noch einmal hinein.
    Für den Moment also gebe ich mich mit der Information zufrieden, die mich ganz von selbst erreicht, ohne dass ich versuche, etwas zu kontrollieren oder mich einzumischen oder Leid in Kauf zu nehmen, um an sie heranzukommen. Der übliche Konsens
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