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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks
Autoren: Laura Mundson
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musst du dich natürlich hüten.«
    »Halt«, jammerte ich. »Ich befinde mich in einer spirituellen Sackgasse. Ich weiß nicht, wie ich nicht wollen soll. Ich fühle mich absolut eingebunden. Aber nicht in Richtung Zen. Eher … ich weiß auch nicht … mehr episkopal.«
    Er lachte, und ich hätte wetten mögen, dass er mir eine wertvolle Information vorenthielt. Eine Information, die man sich nur verdienen und die man nicht vererben kann. Ich hatte die große Reise noch komplett vor mir – fast wie Dorothy aus dem Zauberer von Oz. Mein Gott, wie ich das hasse.
    Doch zurück zu diesem Augenblick in meinem Leben.
    In diesem Augenblick bin ich mir nämlich nicht sicher, wo mein Mann ist. Er hat gestern Abend das Haus verlassen, um den Müll rauszubringen, nachdem er erklärt hatte, sich nicht sicher zu sein, ob er mich noch liebt. Danach ist er nicht zurückgekommen. Er geht nicht an sein Handy und antwortet auf keine SMS.

    Aber ich nehm es ihm nicht ab. Dass er mich nicht liebt, meine ich. So schrecklich es ist, sich so etwas anhören zu müssen, glaube ich doch, dass mehr dahintersteckt. Ich glaube, er macht gerade eine persönliche Krise durch. Ich glaube, dass es hier um ihn geht.
    Ich will Ihnen jetzt mal eine Aufgabe stellen. Ihnen und mir. Versuchen wir doch mal, in dieser Geschichte nicht parteiisch zu sein. Denn wie fühlt es sich an, Partei für eine Seite zu ergreifen? Bekommen wir dann Recht? Oder werden wir lediglich selbstgerecht? Ich halte Selbstgerechtigkeit für schlimmer, als man sich das gemeinhin eingestehen möchte.
    Ich sehe das so: Wir haben alle unsere schwierigen Zeiten. Ich jedenfalls hatte meine. Ich weiß auch, wie sehr mein Mann seinen Job hasst, welche Vorwürfe er sich macht, nicht genug Geld zu verdienen und nicht zu wissen, wie es mit seiner Karriere weitergehen soll. Ich weiß, wie steckengeblieben er sich vorkommt und wie verzweifelt ihm zumute ist, gerade in unserer Kleinstadt in den Bergen, wo hochdotierte Jobs nicht gerade häufig sind. Ich weiß, dass er richtig leidet. Ich weiß es, weil es mir ebenso ergangen ist. Ich kann seinen Schmerz nachempfinden, und genau das habe ich ihm auch gesagt.
    Aber er hört meine Stimme nicht. Dafür ist seine viel zu laut. Er muss selbst dahinterkommen. So wie Dorothy und ich. Und ich weiß, dass es in diesem Fall besser ist, Mitgefühl zu haben. Nicht wütend zu werden oder ängstlich. Auch wenn seine Worte mich wie Hagelkörner getroffen haben.
    Das ist wie bei Teenagern, die kreischen: »Ich hasse euch!« und ihren Eltern die Tür vor der Nase zuknallen. Soll man ihnen das »Ich hasse Euch« etwa glauben? Oder wissen Eltern in so einem Fall instinktiv, dass es irgendeinen Ärger in der Schule gegeben haben muss? Und damit will ich nicht sagen, dass mein
Mann sich wie ein Teenager benimmt. (Oder gar, dass ich, Gott behüte, seine Mama wäre!) Ich will nur zum Ausdruck bringen, dass meiner Ansicht nach mehr dahintersteckt.
    Mein Mann ist ein toller Typ. Loyal. Hilfsbereit. Liebevoll. Ein echter Familienmensch. Die ganze Nacht wegbleiben und nicht anrufen, so etwas macht er eigentlich nicht. In letzter Zeit macht er es allerdings häufig. Ich schätze mal, das ist seine Art, mir die Tür vor der Nase zuzuknallen. Außerdem weiß ich so, dass es in seinem Job richtig Ärger gegeben haben muss. Er nennt es entschuldigend »Dampf ablassen«, was an einem Ort wie diesem ziemlich leicht zu bewerkstelligen ist, schließlich gibt es unzählige Seen und Flüsse in der Umgebung, einen Nationalpark – von den zehn Bars im Umkreis von drei Blocks ganz zu schweigen.
    An solchen Abenden schläft er auf der Couch in seinem Büro, das nur einen Spaziergang von der Ortsmitte entfernt liegt. Woher ich das weiß? Wir wohnen in einer Kleinstadt. Jeder lebt hier wie unter dem Mikroskop. Die Leute lieben es, einander zu beobachten, als ginge es um ein Projekt für den Sozialkundeunterricht.
    Unaufgefordert teilen sie einem mit: »Ich habe deinen Mann gestern Abend in der Bar einen zwitschern sehen.« (Und das heißt dann, dass er nicht nur Limo getrunken hat.) Oder: »Hab deinen Göttergatten heute in aller Herrgottsfrühe im Büroklo Zähne putzen gesehen. Im Gesicht hatte er noch den Abdruck von den Polstern seiner Bürocouch.« Die übliche Schlussformel nach einem solchen Bericht aus der Feldforschung lautet: »Alles in Ordnung mit ihm?«
    »Warum fragst du ihn das nicht einfach selbst?«, ist meine Standarderwiderung darauf.
    Immerhin kann man dann die
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