Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)

Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)

Titel: Ein skandalöses Rendezvous (German Edition)
Autoren: Madeline Hunter
Vom Netzwerk:
ihre Augen begannen zu brennen, wie immer, wenn die Erinnerungen sie überwältigten.
    Sie sah vor ihrem inneren Auge, wie er mit ihr im Garten spielte und sie vor Mama in Schutz nahm, die über ihre schmutzigen Schuhe schimpfte. Dann kam ihr eine andere, lang zurückliegende Erinnerung in den Sinn, wahrscheinlich ihre früheste. Er trug seine Armeeuniform, also musste sie aus der Zeit stammen, bevor er sein Offizierspatent verkauft hatte. Nach der Geburt ihrer Schwester Sarah nahm er eine Stelle im Munitionsamt an, das während des Krieges die Produktion von Munition überwacht hatte.
    Doch am häufigsten erinnerte sie sich an sein trauriges, sorgenvolles Gesicht während der letzten Monate, als er zur Zielscheibe der Verachtung geworden war.
    Sie steckte die Anzeige weg. Sie hatte ihr ins Gedächtnis gerufen, warum sie hier war. Nichts anderes war wichtig, weder der Regen noch die Blicke oder die Unhöflichkeit. Hoffentlich hatte sie recht mit der Annahme, dass der Domino über Informationen verfügte, die dabei helfen konnten, den Namen ihres Vaters reinzuwaschen.
    Audrianna legte ihren blauen Mantel und die graue Pelisse ab und hing sie an die Garderobe zum Trocknen. Dann entfernte sie ihre Haube und schüttelte den Regen ab. Schließlich stellte sie die einzige Lampe des Zimmers auf einen Tisch neben der Tür und den einzigen Stuhl in die Schatten der gegenüberliegenden Ecke jenseits des Feuerscheins aus dem Kamin. Wenn sie dort saß, würde sie sofort sehen können, wer hereinkam, aber diese Person wäre ihrerseits nicht in der Lage, sie direkt zu erkennen.
    Sie stellte ihre Reisetasche auf den Stuhl und öffnete sie. Ihr kam der Rest von Daphnes erster Lektion in den Sinn. Eine unabhängige Frau ist eine schutzlose Frau, daher muss sie lernen, sich selbst zu verteidigen.
    Sie griff in die Tasche und zog die Pistole heraus, die sie unter ihren wenigen mitgebrachten Kleidungsstücken vergraben hatte.
    Lord Sebastian Summerhays übergab sein Pferd dem Stalljungen. Der Bursche stellte sich in die lange Warteschlange der übrigen Stallknechte im Two Swords .
    Sebastian betrat den Schankraum der Gaststube. Ein Querschnitt verschiedenster Menschen drängte sich unter ihrer Balkendecke. Der Regen hatte Reiter gezwungen, hier Unterschlupf zu suchen, und Kutschen waren aufgehalten worden. Die meisten Stühle und Bänke waren von Frauen und Kindern besetzt, während die Männer herumstanden und sich am Feuer abwechselten, um sich aufzuwärmen.
    Dort positionierte sich Sebastian, während ein Großteil des Regenwassers von seinem Reitermantel tropfte. Die Luft war erfüllt vom Geruch nasser Wolle und ungewaschener Körper. Ein paar Bedienstete taten ihr Bestes, um einige Seidenhüte und Krepphauben zu retten, während andere überteuertes, unappetitliches Essen servierten. Sebastian warf einen geübten Blick auf das Meer von Gesichtern und suchte nach einem, das ihm verdächtig, ausländisch oder zumindest genauso neugierig vorkam, wie er selbst es war.
    Der in der Anzeige verwendete Deckname ärgerte und faszinierte ihn gleichermaßen. Es würde seine Mission schwieriger gestalten, deutete aber auch auf gewisse Geheimnisse hin. Die Anzeige selbst, die an Kelmsley gerichtet war, ließ darauf schließen, dass der Verfasser nicht wusste, dass der Mann seit fast einem Jahr tot war.
    Das wiederum deutete darauf hin, dass der Domino nicht aus London stammte und vielleicht nicht einmal aus England. Da der Name nicht richtig geschrieben war, konnte der Domino kein guter Freund oder enger Bekannter von Horatio Kelmsleigh sein. Mit ein wenig Glück wusste der Domino nicht einmal, wie Kelmsleigh aussah.
    Kelmsleighs Selbstmord war in vielerlei Hinsicht unglücklich gewesen, vor allem bot er eine viel zu einfache Lösung für ein Geheimnis an, das sicherlich noch viele weitere Facetten besaß. Er hoffte, an diesem Abend herauszufinden, ob er recht damit hatte.
    »Wen sehe ich denn da – Summerhays! Ich hätte nicht erwartet, in dieser jämmerlichen Absteige ausgerechnet auf dich zu treffen.«
    Die Begrüßung direkt neben seinem Ohr riss Sebastian aus seiner Beobachtung des Raumes. Grayson, der Earl von Hawkeswell, stand neben ihm mit einem fast leeren Krug warmen Weines in der Hand. Er hatte blaue Augen und elegant geschnittenes schwarzes Haar, und auf seinem Gesicht prangte ein breites Lächeln.
    »Mich hat vor fünf Meilen ein Wolkenbruch erwischt«, erwiderte Sebastian. Hawkeswell war ein alter Freund und enger Gefährte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher