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Ein sinnlicher Schuft

Ein sinnlicher Schuft

Titel: Ein sinnlicher Schuft
Autoren: Celeste Bradley
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finsterem Blick.
    Jack hob abwehrend beide Hände. »Sie gehört dir– natürlich nur, falls du sie in diesem Aufzug für dich gewinnen kannst. Du siehst aus wie ein Buchhalter.«
    »Lieber ein Buchhalter als ein Pfau.« Colin schaute an seinem zugegebenermaßen schmucklosen Anzug hinab. »Man würde mich in dem Fetzen, den du trägst, als Wissenschaftler niemals ernst nehmen.«
    Jack grinste. »Mag sein, aber Pfaue haben einen imposanteren… Schwanz.« Er zupfte seine modischen Manschetten zurecht. »Ich bin ohnehin verlobt, das weißt du doch.«
    Colin verdrehte die Augen. Wenn er noch ein einziges Mal zuhören musste, wie Jack die Vorzüge von Miss Amaryllis Clarke nach allen Regeln der Kunst herausstrich, würde er sich übergeben. Bevorzugt auf die Stiefel seines Erzrivalen und absoluten Gegenparts, des hochwohlgeborenen Aidan de Quincy, Earl of Blankenship, der allerdings zur Abwechslung mal nicht mit von der Partie war.
    Zum Glück, denn sonst hing er mit grüblerischer Miene wie eine Klette an Jack und vermieste ihnen jeglichen Spaß. Nein, heute Abend würden sie endlich richtig einen draufmachen können, wenn es nach Colin ging.
    Zumindest nachdem er sich Zugang zum Garderobenbereich verschafft hatte und dieser strahlenden Schönen vorgestellt worden war. Dieser Miss Chantal Marchant, wie er von dem Theaterplakat draußen wusste: Miss Chantal Marchant.
    Chantal.
    »Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?«
    Der Freund antwortete nicht, und Colin sah, dass Jacks übliches Grinsen verschwunden war. Gleichgültig schweifte sein Blick über die festlich gekleideten Theaterbesucher.
    »Morgen gehe ich fort«, sagte er so leise, dass es fast nicht zu hören war.
    Colin schien, als würde eine eiskalte Hand nach seinem Herzen fassen. »Du musst doch gar nicht in diesen Krieg ziehen. Du stehst schließlich an zweiter Stelle der Erbfolge und wirst vielleicht einmal den Titel deines Onkels erben.«
    Für einen flüchtigen Moment schaute Jack ihn an, als ob er etwas sagen wollte, aber der Augenblick war rasch vorüber, und der Freund wechselte das Thema. »Komm, lass uns für dich einen Weg hinter die Bühne finden. Die schöne Chantal wartet!«
    Und dann ging Jack freiwillig zur Armee, um gegen Napoleon zu kämpfen.
    Als er zurückkehrte, erschrak Colin über seinen Anblick. Das war nicht mehr der Jack von früher. Vor ihm stand ein in sich gekehrter Mann mit einem halb verlorenen, halb angeekelten Gesichtsausdruck. Doch nicht nur der Krieg war schuld daran. Das Mädchen, das er liebte und verehrte, mit dessen Bild vor Augen und im Herzen er die Schrecken der Schlachtfelder überlebt hatte, wollte ihn nicht mehr, als er nach Hause kam. Colin zerriss es jedes Mal das Herz, wenn er den einst lebensprühenden Freund so sah.
    Und jetzt saß er auch noch auf dem Dach von Brown’s Gentlemen Club, direkt an der Kante und fünf Stockwerke über dem Kopfsteinpflaster der Straße.
    »Pst. Erschrick ihn nicht.«
    Colin verdrehte die Augen. Immer dieser unsägliche Aidan de Quincy, der ständig aussprechen musste, was doch offensichtlich war. Zumindest, und dafür war er dankbar, hatte dieser Vertreter der Hocharistokratie ihn benachrichtigt.
    »Vor einer Stunde habe ich ihn so vorgefunden«, flüsterte Aidan, »und dann gleich einen Boten nach dir geschickt.«
    Und ihn aus Chantals zärtlichen und ausgesprochen verführerischen Armen gerissen. Wieder einmal. Nicht dass Colin nicht alles für Jack tun würde, im Gegenteil. Für ihn wirklich alles Erdenkliche, aber nicht für Aidan.
    Er warf einen Blick über die Schulter. »Wie konntest du zulassen, dass er sich wieder betrinkt?« Seine leise Stimme klang wütend und anklagend. »Du weißt doch genau, dass es schlimmer mit ihm wird, sobald er zur Flasche greift.«
    »Das Problem ist nicht der Whisky, sondern sein Kummer.« Aidan kniff zornig die Augen zusammen. »Außerdem habe ich ihn bloß für eine Viertelstunde aus den Augen gelassen. Und überhaupt wärst du heute Nacht dran gewesen.«
    »Das tut nichts zur Sache.« Fünfzehn Minuten waren genug Zeit, um eine ganze Menge Whisky in sich hineinzuschütten– vor allem wenn man nur vergessen wollte und es einem gleichgültig war, was im Zustand der Volltrunkenheit passierte. Und Jack war es egal. Fast konnte man noch von Glück sagen, dass er nur aufs Dach gestiegen war, anstatt sich wie sonst in Kneipen zu prügeln. Der Freund wurde nicht fertig mit seinen Schuldgefühlen, weil nicht er, sondern sein geliebter Cousin–
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