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Ein Sehnen Im Herzen

Ein Sehnen Im Herzen

Titel: Ein Sehnen Im Herzen
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höflich sein. Sie wünschte wirklich, er hätte es nicht getan. Obwohl ihr Mrs. MacEwans Gebäck eindeutig lieber war als das Präsent der vorigen Woche - ein frisch geschlachtetes Schwein -, war es trotzdem zu viel. Cletus MacEwan war Emmas ergebenster und körperlich eindrucksvollster Verehrer, aber auch der, dem es am meisten an gesundem Menschenverstand mangelte.
    »Sie werden mit Ihrer Arbeit nicht nachkommen, wenn Sie mir jeden Morgen etwas zum Frühstück bringen«, tadelte sie ihn milde.
    Cletus lächelte sie nur an, mit dem vertrauensvollen, freundlichen Lächeln eines Kindes. Und er war tatsächlich noch sehr jung, achtzehn Jahre alt, und somit ein Jahr jünger als Emma.
    »Meine Mam sagt, wir müssen schauen, dass Sie ordentlich essen«, antwortete Cletus. »Sie sagt, dass Sie zu dünn geworden sind und dass Sie noch ganz von Kräften kommen, wenn Sie nicht...«
    »Ja, ja, schon gut«, unterbrach Emma ihn. Mrs. MacEwans düstere Prophezeiungen kannte sie zur Genüge. Mit Emmas Gesundheit stand alles zum Besten, aber Cletus' Mutter prahlte gern vor ihren Freundinnen in der Stadt mit ihren Bemühungen, die »arme Witwe Chesterton« aufzupäppeln. Es konnte kein Zweifel bestehen, dass gute Nachbarschaft nicht der einzige Grund war, der hinter Mrs. MacEwans Fürsorge steckte. Sie hatte ein handfestes Motiv, und dieses Motiv stand jetzt eben vor Emmas Augen und zitterte in seinen nassen Sachen wie ein Lamm vor der Schlachtbank.
    Unter normalen Umständen zeigte Emma keinem ihrer zahlreichen Verehrer besonderes Entgegenkommen. An diesem Tag jedoch beschloss sie, eine Ausnahme zu machen. Vielleicht lag es an dem Anblick von Cletus MacEwans aufgesprungenen Händen, vielleicht auch an dem köstlichen Duft der Scones, die seine Mutter gebacken hatte. Wie auch immer, Emma entschied, ihn ins Haus zu bitten, und sagte deshalb freundlich: »Wollen Sie nicht hereinkommen, Mr. MacEwan?« Sie trat beiseite, um ihn eintreten zu lassen.
    Cletus MacEwan brauchte keine weitere Aufforderung. Schnell wie der Blitz duckte er sich unter dem niedrigen Türrahmen hindurch und baute sich in ihrem Wohnzimmer auf.
    »Sehr nett von Ihnen, Ma'am«, sagte er und neigte erneut den Kopf, wobei es ihm gelang, einen Schwall Wasser auf ihrem sauberen Holzboden zu verteilen. »Vielleicht kann ich auf eine Tasse Tee bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Emma beobachtete lächelnd, wie ihr Nachbar dem Kamin zustrebte. Cletus MacEwan war zwar nicht sehr aufgeweckt, aber als Nachbar ganz nützlich, hatte sie festgestellt, vor allem, wenn es darum ging, ein Hühnchen für ihr Abendessen zu schlachten, eine Aufgabe, für die Emma weder Talent noch Neigung hatte.
    Aber diese Eigenschaft erweckte in ihr nicht den Wunsch, ihn zu heiraten. Emma hatte nicht den Wunsch, überhaupt zu heiraten.
    Und das war die Wurzel all ihrer gegenwärtigen Probleme - den Hahn nicht eingeschlossen.
    Der hellbraune Mischling, den Emma am Vorabend beschlossen hatte, nach der Figur eines Romanes, den sie gerade las, Una zu nennen, hatte sein Geschäft erledigt und kehrte eilig in die Wärme des Hauses zurück. Emma trat beiseite, um nicht von den Wassertropfen besprüht zu werden, die in alle Richtungen spritzten, als Una ihr Fell ausschüttelte.
    Als Emma in ihrem Schlafzimmer gerade damit kämpfte, ihr Haar zu bändigen - ein Kampf, der Tag für Tag zwischen den dicken blonden Locken, die ihren Kopf wie ein Heiligenschein umrahmten, und der steifen Rosshaarbürste stattfand, die dieser Aufgabe nicht im Geringsten gewachsen zu sein schien -, blickte sie zufällig auf und bemerkte etwas Ungewöhnliches.
    In ihrem Gemüsegarten stand ein Leichenwagen.
    Emma, die mehrere Haarnadeln, mit denen sie den Knoten auf ihrem Kopf zu befestigen versuchte, zwischen den Zähnen hielt, hätte diese beinahe verschluckt, als sie das lange schwarze Gefährt entdeckte. Die schäbige Kutsche - das einzige Fahrzeug des entlegenen Inseldorfes, das über eine Art Dach verfügte - wurde von einem Zweiergespann gezogen und beide Pferde schnupperten an Emmas Kohlköpfen, die eben erst zaghaft aus dem Boden sprossen.
    Emma, deren Hände vor Überraschung wie festgefroren über ihrem Kopf verharrten, starrte den Wagen an. Was in aller Welt hatte der Leichenwagen des Dorfes in ihrem Gemüsegarten verloren? Hier in der Gegend hatte es keine Todesfälle gegeben - zumindest keine, von denen Emma gewusst hätte. Emmas Cottage lag auf einer einsamen Klippe über der See. Ihre nächsten Nachbarn,
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