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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
Autoren: Maryla Krüger
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verzweifelten fast an meinen ach so kurzlebigen Hobbys und Vorhaben: Klarinette spielen, Gitarre, Kontrabass, Ballettunterricht, Tennis, Curling, Mädchenfußball, ein Buch schreiben, Ärztin werden, Tierärztin werden, Kinderärztin werden, Sängerin, Schauspielerin, Popstar. Gemessen an all den Vorhaben, hielt die Absicht, Philosophin zu werden, ziemlich lange an.
    Nach dem Abbruch meines Studiums fand ich mich allein in meiner Wuppertaler Einzimmerwohnung wieder, ohne Plan und Einkommen, und überlegte, was ich mit meinem Leben nun anfangen sollte. Ich hatte nicht vor, mich schon wieder von meinen spontanen Launen leiten zu lassen. Wenigstens einmal in meinem Leben wollte ich etwas Sinnvolles, etwas Großes und Bedeutendes tun. Da klopfte Linda an meine Tür und überredete mich dazu, für ihren Science-Esquire zu schreiben.
    Wäre ich doch nur an jenem Tag nicht zu Hause gewesen.
    Die kleine, unscheinbare Zeitschrift über Geister und Spuk hatte sie ein Jahr zuvor ins Leben gerufen, nachdem sie ihre zahnmedizinische Laufbahn an den Nagel gehängt hatte und aus Gründen, die mit einer funktionsgestörten Glühlampe und einer missglückten Beziehung zu einem Marihuana rauchenden Veganer einhergingen, in die Esoterik-Ecke abgedriftet war. Ich begann mit harmlosen Dingen: Botengänge erledigen, kurze Textpassagen schreiben und hin und wieder ein paar Leserbriefe beantworten.
    Sechs Monatsausgaben lang lief auch alles glatt, bis Linda auf die grandiose Idee kam, mich ungefragt für diese Feldforschung anzumelden, die in den unterirdischen Gängen der Wuppertaler Ölstadt vonstattengehen sollte. Das Essay, das ich danach für den Science-Esquire schrieb, verbreitete sich wie ein verdammtes Lauffeuer und brachte mich hierher.
    Plötzlich ging die Tür zu Professor Sutherlands Büro ein Stück weit auf, und eine sonore Stimme rief: „Und, zum Donnerwetter noch mal, seht zu, dass ihr unter die Dusche kommt!“
    Leises Gemurmel und Gelächter folgten, und schlussendlich traten drei Männer nacheinander durch die Tür. Einer von ihnen trug etwas, das einer antiken Stehlampe mit gigantischem Schirm glich. Die anderen hatten Kameras umgehängt. Ihre Kleidung war mit Spinnweben behangen und so verdreckt und staubig, dass bei jeder Bewegung kleine Schmutzwolken aufstiegen und Sand auf den spiegelblanken Parkettboden rieselte.
    „Das … war zu erwarten, Jungs“, sagte die Dame am Schreibtisch mit erhobenem Finger, schob ihre Brille auf die Nasenspitze und betrachtete die drei von oben bis unten. „So, wie ihr ausseht, könnt ihr froh sein, dass der Professor euch nicht schnurstracks von Harrison mit dem Gartenschlauch abspritzen ließ. Ihr wolltet ja nicht hören. Ich hatte euch gewarnt.“
    „Das hatten Sie“, erwiderten die drei, lachten und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern, wodurch noch mehr Dreck auf den Boden fiel.
    „Herr! Lehre sie Demut, wo ich versagte“, meinte die Dame nur und schüttelte den steifgelockten Kopf.
    „Letzter Tag heute, was, Ethel?“, fragte einer der drei und ging um den Schreibtisch herum. „Hätte nicht gedacht, dass das alte Schlitzohr Sie wirklich gehen lässt.“
    „Ihm blieb nichts anderes übrig. Mein Pensionsanspruch ist schon seit drei Monaten durch, und nun gehe ich zu meiner Schwester nach Wales und überlasse euch eurem Schicksal.“
    „Sie werden uns fehlen“, sagte ein anderer.
    „Vielleicht schafft es ja meine Nachfolgerin, euch ein wenig Manieren einzubleuen.“
    „Sind wir wirklich so schlimm?“
    „Schlimmer!“, rief sie aus, blickte von einem zum anderen, und plötzlich wurden ihre Augen feucht. „Ach Jungs! Ich werde euch auch vermissen.“
    Dann lachte sie auf, ließ sich zum Abschied von den Männern auf die Wangen küssen, und ich konnte sehen, wie sie trotz ihres Alters sanft errötete.
    Die drei gingen an mir vorbei, ohne mich zu beachten, doch als sie das Vorzimmer verlassen wollten, blickte der mit der Lampe zurück und musterte mich. „Ist alles okay?“, fragte er.
    Ich drehte mich um, ob er vielleicht mit jemand anderem gesprochen hatte, doch neben mir befand sich nur ein nackter Kleiderständer. Lächelnd wandte ich mich ihm wieder zu. „Ähm, ja. Warum?“
    „Du siehst blass aus. Du musst keine Angst vor ihm haben, hörst du?“ Er wies mit einem Kopfnicken auf Professor Sutherlands geschlossene Bürotür. „Er ist zwar manchmal etwas exzentrisch, aber nach einiger Zeit lernst du, seine Marotten zu ertragen. Ethel hat es auch
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