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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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wurden feucht, und der Mantelkragen kratzte. Eine Hitze wie im Backofen. Ich hatte das Gefühl, langsam zu garen, und wunderte mich über seine Decke.
    »Gar nicht so schwer, fünfzig Teile.«
    Er legte das Puzzlestück, das er in der Hand hielt, beiseite und wandte sich mir zu. »Is ’n Werbegeschenk. Von ’ner Partei. Mit Politik hab ich nix am Hut, aber is umsonst. Verstehste?« Und, die Oberlippe rümpfend: »Normalerweise mach ich in Dreitausender, mindestens.« Beim Sprechen wippte die Kippe im Rhythmus.
    Er sah mich noch eine Weile nach dem Motto ›Und wenn du eins in die Fresse willst, kannste haben‹ an und widmete sich wieder dem Spiel. Ich rauchte, und er puzzelte. Ich sah auf die Uhr. Viertel nach elf. Wir hatten uns für elf verabredet.
    Ich kannte Ernst Slibulsky seit zwei Jahren, und wir waren sowas wie befreundet. Er reparierte mein Auto, ich beriet ihn bei Geschenken für seine Freundin, und wenn er sich mit ihr gestritten hatte, schlief er bei mir auf dem Sofa. Einmal die Woche spielten wir Billard; anschließend tranken wir ein paar Bier und redeten über Fußball. Manchmal tranken wir zuviel Bier, versuchten andere Themen und verstanden uns nicht. Slibulsky machte seit drei Monaten den Hampelmann für Ibiza-Charly, schmiß randalierende Freier raus und trieb bei den Frauen das Geld ein. Es war seine erste Arbeit in dieser Richtung.
    Der kleine Mann seufzte. Das Puzzle war fertig. Seine Hand tastete nach dem Glas, und auch beim Trinken blieb die Kippe im Mund. Als er das Glas absetzte, war es leer.
    Mißmutig wischte er sich mit dem Handrücken übers Kinn.
    »Vielleicht isses aber auch deshalb nich schwer, damit der Herr Kohl, wenn er vom Regieren müde is, selber ma bißchen spielen kann.«
    Ich gähnte. Er blinzelte mich an.
    »Sind wohl keiner von der komischen Sorte?«
    »Bin von der, die zu wenig geschlafen hat.«
    Ohne den Blick von mir zu lassen, zündete er den Rest Zigarette an und sank zurück in seinen Sessel. »Sind Sie ’n Kunde?«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Glut leuchtete auf. Er sah zur Decke. »Früher hätte ich Sie das gar nicht zu fragen brauchen. Früher war das ’n anständiges Haus mit anständigen Mädels. Da hing an der Tür ’n Schild ›Kein Fremdenverkehr‹. Lustig, was?«
    »Zum totlachen.«
    Er nickte bedächtig. »Und heute? Nur noch Kaffer und Perverse. Aber is ja kein Wunder, bei all den Seuchen, die sie jetzt in Amerika erfinden.«
    Ich trat meine Zigarette aus.
    »Kein Fremdenverkehr… das waren noch Zeiten. Sie sind doch auch ’n Kaffer, oder?«
    »Und einer, der Ihnen Ihre belegten Brötchen um die Ohren schlagen kann.«
    Er schien amüsiert. »Das lassen Sie mal besser bleiben. Ich bin nämlich der große Bruder von Charly. Bißchen zurückgeblieben, aber sein Bruder.«
    »’nen zurückgebliebenen Eindruck machen Sie nicht gerade.«
    »Finden Sie?« Er schlug die Decke zurück. Anstelle der Beine lagen da zwei kurze Stumpen. »Und jetzt?«
    »Ich würde sagen, gehbehindert.«
    »So, das würden Sie also?«
    Sein Lachen war mehr ein Husten. Schadenfroh und häßlich zugleich. Er zog eine Flasche weißen Cinzano hinter dem Sessel hervor und schenkte sich nach.
    »Ich war mal ’ne große Nummer! Aber eines Tages, ratsch! Beide Beine - wie ’ne Wurst. Danach hat Charly mir die Arbeit hier besorgt. Nutten die Brötchen schmieren. Nett, nicht wahr? Dieses Loch.«
    »Geht eben nichts über Familie.«
    Ein Luftzug. Slibulsky kam um die Ecke gefegt. Kurze schwarze Locken, Hamsterbacken, Schnapsnase. Er steckte in einem türkisgrünen Jogginganzug mit eingenähten Glitzerteilchen und hatte eine Kiste Kinderüberraschungseier unterm linken Arm. Der rechte lag in Gips.
    »Morgen zusammen.«
    Die Kiste landete auf der Theke.
    »Ab heute im Angebot. Stück ’ne Mark. Damit die Girls was zu lachen haben. Charly ist seit gestern der Meinung, der Puff braucht ›freundlicheres Ambiente‹.«
    Der Mann im Sessel knurrte verächtlich. Slibulsky zwinkerte ihm zu. »Was is, Heinz, kein guter Tag?«
    Die inzwischen wieder erloschene Kippe landete auf dem Boden. »Bin mit dem falschen Bein aus ’m Bett.«
    Slibulsky zog eine Grimasse, die alles mögliche bedeuten konnte, drehte sich dann um, boxte mir gegen die Schulter: »Na, Kayankaya, Niederlage vom Sonntag überstanden?«
    Ich wies mit dem Kinn Richtung Gips. »Jedenfalls besser als du den Sieg.«
    »Tja… Bin die Treppe runtergefallen. Hab’s am Telefon vergessen zu sagen.«
    »Schlimm?«
    »Kaum der Rede
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