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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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und rollte sie zwischen den Fingern. »Sie sehen nicht aus wie einer, der auf mysteriöse Anrufe eingeht. Und daß das keine Spaßmacher sind, war immerhin abzusehen.«
    »Ich hätte auch niemals zugestimmt, wenn nicht…« Für einen Moment schloß er die Augen und schluckte. Seine Hände verkrampften sich wie miteinander ringende Kraken. »… sehen Sie, gestern morgen, die gepackten Koffer, es ging alles so schnell, und dann…« Erschöpft ließ er die Schultern sinken.
    »Kennen Sie noch jemand, dem so ein Angebot gemacht wurde? Eine der ehemaligen Kolleginnen im LADY BUMP zum Beispiel?«
    »Nein.«
    »Na schön. Zweihundert Mark am Tag plus Spesen. Ihre Adresse, die Telefonnummer, wo Sie tagsüber zu erreichen sind, und den vollständigen Namen Ihrer Freundin. Ich will sehen, was sich machen läßt.«
    Aus einer krokodilledernen Brieftasche wechselten fünf Hundertmarkscheine über den Schreibtisch.
    »Und noch was, ich bin kein Schläger. Wenn Sie jemand möchten, der Fressen poliert…«
    »Nein, nein - ich war vorhin nur sehr erregt. Entschuldigen Sie.«
    Ich entschuldigte und strich das Geld ein. »Ihr Beruf?«
    »Künstler.«
    Mir blieb die Sprache weg. »Hä?«
    Eifrig, mit jetzt nervösem Glanz in den Augen, erklärte er: »Ja, Bildhauer und Maler. Und ich schreibe, Kurzgeschichten und fürs Fernsehen. Vielleicht drehe ich demnächst sogar einen Film. Und beim Radio bin ich auch.«
    Ich glotzte ihn an. »Alles auf einmal?«
    »Ich kann nicht anders. Ich muß was tun, muß arbeiten und kreativ sein, sonst werde ich verrückt.«
    »Aha. Haben Sie’s mal mit Fernsehen und Bier versucht?«
    Er machte ein richtig nettes Gesicht und sagte nur für mich: »Das halte ich nicht aus. Wirklich. Wenn Sie das können, ich beneide Sie darum.«
    Ich überlegte, ob er da nicht was verwechselte, aber schließlich war es mir auch egal. »Ihre Adresse?«
    Er gab mir seine Visitenkarte. Links ein Blümchen, rechts ein Blümchen, in der Mitte Manuel Weidenbusch.
    »Sri Dao Rakdee. Rakdee mit zwei e.«
    Ich schnippte meinen Daumennagel gegen die Visitenkarte und sagte: »Auf Wiedersehen.«

2
    Eine schwarze polternde Decke hatte sich über Frankfurt gelegt, und die ersten Tropfen fielen. Ich bugsierte den Opel zwischen zwei Offenbacher Cabrios, ließ den Wagen quer stehen und rannte die Treppe zum EROS-CENTER ELBESTRASSE hoch. Zwei graue Plastiklappen markierten den Eingang. Sie sahen aus, als kotze jeder Besucher zum Abschied einmal dagegen. Ich stieß die Lappen auseinander und war im rundum gekachelten, rosa beleuchteten Erdgeschoß. An den Wänden hingen vollbusige Gipsbüsten und Witzbilder in der Art ›Jäger jagt Hirsch, während Hirsch Jägersfrau besteigt‹. Dazu seufzte eine italienische Halsschmerzenstimme aus unsichtbaren Lautsprechern ›Amore, amore‹. Die Luft war dick und süß, und man meinte, sie schlüge Wellen, wenn man sie durchschritt: ein verkommenes, riesiges Luxus-Pissoir, nur daß die Klofrauen Strapse und bunte Schlüpfer trugen. Kurz hinter dem Eingang zogen sich Türen links und rechts durch die düsteren Gänge. Alle drei Meter eine, dahinter ein verschwitztes Zimmer. Handtuch auf dem Bett, Pornobilder an der Wand, ein Waschbecken, eine Packung Kleenex. Die meisten Türen waren geschlossen. Vor den offenen saßen Frauen auf Hockern, die Beine lang in den Flur gehängt, das Lächeln falsch wie Glasperlen, gelangweilt und jede Menge Putz im Gesicht. Um diese Uhrzeit arbeitete nur, wer es mehr als nötig hatte. Außer ein paar Spannern, die drei-, viermal die Runde machten und jedesmal neu ein Gesicht zogen, als wären sie hier rein zufällig hineingeraten, war kein Betrieb.
    Abseits, in einer Ecke versteckt, lag der hauseigene Kiosk. Sprudel und belegte Brötchen fürs Personal. Drei Fliegen leisteten den Brötchen unter einer Glasglocke auf der Theke Gesellschaft. Ich lehnte mich daneben und zündete mir eine Zigarette an. Der kleine Mann unter mir, mit dem Kassengestell auf der Nase und der kalten Selbstgedrehten im Mundwinkel, saß in eine Decke gehüllt und grübelte über einem Puzzle. Der deutsche Bundeskanzler in fünfzig Teilen. Neben ihm ein volles Glas Wermut, vor ihm ein schlafender Dackel in gestricktem Leibchen, im Regal eine verstaubte Batterie Limonadendosen.
    »Slibulsky schon da?«
    Ohne aufzusehen, schüttelte er den Kopf. Ich sah zu, wie er das Kohlsche Kinn zusammensetzte.
    »Macht Spaß?«
    Wieder schüttelte er den Kopf. Mir lief Schweiß den Nacken herunter. Die Hände
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