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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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Thailand zurückzufliegen. Ein Asylantrag mochte Aufschub bedeuten, wäre aber mit hundertprozentiger Sicherheit abgelehnt worden; heiraten, so Weidenbusch, wollten beide nicht.
    Die Zeit verging, ohne daß sie eine Lösung fanden, und das vorgeschriebene Abreisedatum war bereits um einige Tage überschritten, als sie in eine Paßkontrolle gerieten. Der Polizist nahm Sri Daos Personalien auf und drohte mit Abschiebung, sollte sie nicht innerhalb der nächsten drei Tage das Land verlassen haben. Wäre Weidenbusch nicht dabeigewesen, man hätte sie sofort in Haft genommen. Am nächsten Morgen, Sri Dao packte schon die Koffer, klingelte das Telefon. Ein Mann, der sich mit Larsson vorstellte, bot gegen dreitausend Mark in bar falsche Papiere an; sie hätten eine halbe Stunde Zeit, sich zu entscheiden, dann würde er wieder anrufen. Weidenbusch und Sri Dao entschieden sich und trafen mit dem Anrufer folgende Abmachung: Sri Dao steht am nächsten Morgen, sieben Uhr, mit Geld und Paßbild am Taxistand Hauptbahnhof Ostseite. Alleine. Ein grauer VW-Bus holt sie ab und bringt sie an einen geheimen Ort, wo man die Papiere bastelt. Vierundzwanzig Stunden später sei sie wieder zu Hause.
    Sie taten wie verlangt, mit einer Abweichung: Sri Dao kam nicht alleine. Der graue VW-Bus fuhr vor, ein Mann mit Sonnenbrille und Schnurrbart sprang heraus, öffnete die Schiebetür und rief Sri Dao »schnell, schnell« zu. Im gleichen Moment ging Weidenbusch dazwischen und verlangte Auskunft über das Ziel der Reise. Der Schnauzbart stieß ihn zur Seite, schob Sri Dao, die »No, no« und »This is my man« schrie, mit Gewalt ins Wageninnere, schloß die Schiebetür und setzte sich hinters Steuer. Weidenbusch riß die Beifahrertür auf, doch bevor er einen Laut von sich geben konnte, klebte ihm ein Pistolenlauf am Kinn. Sekunden später war der VW-Bus verschwunden, und Weidenbusch saß im Schock auf dem Bordstein. Irgendwann in der nächsten Stunde kam ihm dann die Idee, einen Privatdetektiv aufzusuchen, und jetzt war er hier. Zitternd und wild mit den Armen gestikulierend stand er vor mir und wiederholte immer wieder, »Mit einer Pistole, einer echten Pistole - hier…«, er zeigte auf seine rechte Wange, »… eine falsche Bewegung, und…« Er schlug die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf.
    Ich bot ihm eine Zigarette an, und er nahm sie, ohne hinzuschauen. Plötzlich blieb er stehen, betrachtete erstaunt den weißen Stengel zwischen seinen Fingern, ließ ihn fallen und trat mit dem Schuh drauf. Während ich mich noch über die auf einmal so häusliche Umgangsform mit meinem Büro wunderte, plumpste er in den Besuchersessel, streckte die Beine von sich und kommandierte in höchsten Fisteltönen: »Ich will, daß Sie sie wiederfinden, und ich will, daß Sie dem Verbrecher die Fresse polieren!«
    ›Fresse polieren‹ klang, als hätte er es für heute auswendig gelernt.
    Ich puhlte mit einem Streichholz an meinen Fingernägeln herum. »Wie sind Sie auf mich gekommen?«
    Er stutzte. Seine Wimpern klimperten irritiert. Er schwieg.
    »Ich nehme an, Sie haben im Branchenverzeichnis nachgeschaut. Warum Kayankaya, warum nicht Müller?«
    »Weil sie Thailänderin ist, und ich dachte…«
    »Sie dachten, Thailand - Türkei, fängt beides mit T an.«
    »Wie konnte ich wissen, daß Sie Türke sind? Im Gegenteil. Ich hätte erwartet… aber…«
    Der Satz blieb unbeendet zwischen uns hängen, als hätte jemand Stacheldraht durchs Zimmer gespannt.
    Sie besuchen Ausstellungen in New York und gehen auf Safari in Afrika; sie kiffen in Kairo, essen japanisch und wollen Moskau Demokratie beibringen; sie sind international bis auf die Pariser Unterhose - aber einen Türken ohne Sperrmüll unterm Arm und zehn ungewaschenen Kindern an der Hand, das geht nicht rein in ihren Schädel. Ich war froh, bei Weidenbusch kein Zimmer mieten zu wollen. Ich warf das Streichholz weg und musterte meine Fingernägel. »Wie heißt der Club, in dem Ihre Freundin gearbeitet hat?«
    »LADY BUMP. In der Elbestraße.«
    »Und wem haben Sie die fünftausend Mark gegeben?«
    »Einem Mann namens Korble oder Köble…«
    »… Köberle? Charly Köberle?«
    »Ja, genau.«
    »Wer wußte sonst noch, wann die Aufenthaltsgenehmigung abläuft?«
    »Nun… ein paar Freunde, und meine Schwester.«
    »Was macht Ihre Schwester?«
    »Sie arbeitet in einer Kindertagesstätte - therapeutisch, sozial-therapeutisch.«
    »Kindergärtnerin?«
    »… so ähnlich.«
    Ich angelte mir eine Zigarette
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