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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord
Autoren: Jakob Arjouni
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Haare fuhr.
    »… meine Freundin ist Thailänderin.«
    Er sah zu Boden, und ich runzelte die Stirn. Um ein bißchen Leben in die Veranstaltung zu bringen, fragte ich: »Und Sie haben die letzte Rate nicht gezahlt? - Oder war’s ein Probeexemplar?«
    Und tatsächlich ging ein überraschend vitaler Ruck durch die Kugel. »Wie bitte?!«
    »Schon gut. Erzählen Sie weiter.«
    Einen Augenblick zögerte er, lief dann durchs Zimmer und sah mich zwischendurch an, als hätte ich was über seine Mutter gesagt. Die Mundwinkel zuckten.
    »Ja, sie kommt aus Thailand. Aber nicht so, wie Sie denken.«
    Mehr zu mir selbst murmelte ich, »eigentlich denke ich gar nicht«, und er nickte zustimmend. Fast wurde er mir sympathisch.
    »Wir haben uns ganz normal in einer Diskothek kennengelernt. Jedenfalls am Anfang war es so. Sie sagte, sie würde Verwandte besuchen. Die ersten Tage mit ihr waren wie ein Traum.«
    Er erging sich über die internationale Sprache der Liebe. Thailändisch oder deutsch - Gefühle sagen mehr als tausend Worte und so weiter. Dann kam er ins Stocken, seufzte und schwieg. Ich klemmte eine Zigarette zwischen die Lippen und tat es ihm nach. Als ich genug gewartet hatte, fragte ich: »Und?«
    Mit einer Mischung aus Kummer und Sehnsucht im Blick sah er auf und hob flehend die Arme.
    »Ich will Ihnen doch nur vermitteln, wie wichtig sie mir ist, verstehen Sie? Sie denken, ich wär so ein Kerl mit Thailänderinnen, aber so einer bin ich nicht. Ich… wissen Sie, wir haben zusammengesessen, einfach so. Sie hat mit den Augen gefragt, und ich habe mit einer Berührung geantwortet…«
    Ich knallte die flache Hand auf den Tisch.
    »Und als Sie ihr erklären wollten, wo die Toilette ist, ist sie aus ’m Fenster gesprungen! Mann, kommen Sie doch mal auf ’n Punkt. Daß Sie verliebt sind, sehe ich, sonst würden Sie nicht die schlimmsten Stunden Ihres Lebens durchmachen, weil in meinem Büro keine Bistrotischchen rumstehen. Und wenn Sie Probleme wegen einer Thailänderin haben, Ihre Sache. Ihre Freundin ist entführt worden, und mein Job könnte es sein, sie wiederzufinden. Könnte, wenn Sie erzählen, was passiert ist, und aufhören, mir über die Sprache der Liebe in die Jacke zu heulen.«
    Er machte den Mund auf und zu, und sein Kinn fing an zu zittern. Dann schloß er die Augen, fuhr mit Daumen und Zeigefinger unter die Brille und drehte sich weg. Sein Rücken zuckte. Ich seufzte. Plötzlich schien die Sonne durchs Fenster, und ich hatte Lust, auf die Straße zu gehen, in die Stadt, irgendwo ein Bier trinken. Statt dessen rappelte ich mich aus dem Sessel, ging zu der bunten Kugel und knetete ihr die Schulter.
    »Jetzt machen Sie sich mal nicht verrückt. Wir werden sie schon finden.« Seine Pflaumenaugen blickten auf. Sie hatten einen feuchten Glanz. Ich grinste. »Und Sie werden es noch früh genug bereuen. Beide. Spätestens, wenn Sie eine Sprache sprechen. Dann ist es vorbei mit Augen-  und Berührungs-Trallala, dann wird über Suppe geredet, Haarwaschmittel, Wetterbericht. Nix mehr Herzklopfen und Kerzenschein, sondern Müll runterbringen und Sportschau verboten.«
    Es war nicht auszumachen, ob er lachte, aber es schien so eine Andeutung davon. Ich gab ihm einen Klaps und setzte mich zurück hinter den Schreibtisch. Er schniefte noch ein bißchen, um dann langsam, die Worte wie ein altes Brötchen kauend, fortzufahren: »Eine Woche später erfuhr ich, daß sie in einem Club arbeitet. Sie wissen schon. Zuerst war ich außer mir, und dann setzte ich alles dran, sie dort rauszuholen. Dreimal hab ich sie besucht… an ihrem Arbeitsplatz. Schrecklich, ganz schrecklich.« Er schüttelte sich. »So etwas können Sie sich nicht vorstellen!«
    »Na, ja.«
    Ich wiegte nichtssagend den Kopf. ›Ein Hurenretter‹, dachte ich, ›ein bonbonfarben verpackter Hurenretter mit rosarundem Guck-in-die-Luft. Und ich soll ihm dabei helfen, weil er Angst hat, sich in so einem Schuppen die Krätze zu holen.‹ Aber ich dachte falsch, und was er in der nächsten halben Stunde durchs Büro tappend erzählte, war auf den Punkt gebracht folgendes: Weidenbusch hatte Sri Dao, so hieß die Freundin, für fünftausend Mark freigekauft, die Summe, die sie dem Club angeblich für Anreise, Unterkunft und Verpflegung schuldete, und zu sich in die Wohnung genommen. Nach den Flittertagen fingen sie an zu überlegen, was weiter geschehen sollte. Sri Daos Aufenthaltsgenehmigung würde in drei Wochen ablaufen, und sie hatte weder Geld noch Lust, nach
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