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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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ich einen müden und abgeschlagenen Eindruck. Meine Bitte nach einem Kurzurlaub wird von Martin mit einem lauten Lacher beantwortet.
   »Fahr doch mit Gerald. Er würde sich bestimmt freuen.«
Keine schlechte Idee, denke ich im Spaß und weiß genau, dass Martin an die Decke gehen würde, sollte ich seinen Vorschlag ernsthaft in Betracht ziehen.

 
    Ist der Januar kalt und weiß, kommt der Frühling ohne Eis

Täglich erhalte ich Anrufe von Gerald. Seit wir uns kennen, haben wir noch nie so häufig mit einander telefoniert, wie in der letzten Woche. Jedes Mal, wenn ich seine Stimme höre, kriecht das schlechte Gewissen in mir hoch. Ich mag ihn und es behagt mir überhaupt nicht, dass er so schamlos hintergangen wird.
   »Lena sagt, Anja ist bei dir«.
   »Sie war hier«, lüge ich. Oder »Sie ist noch auf dem Weg.« Oder »Sie ist gerade losgefahren.« So langsam gehen mir die Ausreden aus und ich bin stink sauer auf meine beste Freundin. Gern bewahre ich Stillschweigen gegenüber Martin, aber Gerald täglich dreckig belügen zu müssen, gehörte nicht zu unserer Abmachung. Ende des Komplotts. So, Anja, das war’s.
Rufe deinen Ehemann sofort zurück , schreibe ich ihr.

Statt meine Senf freie Zeit zu genießen, liege ich krank im Bett. Ich habe mich bei den Enkeln angesteckt und mir einen unvorstellbar, hartnäckigen Husten eingefangen. Fieber habe ich nicht, aber das Gefühl, von Tag zu Tag schlapper zu werden. Wo ist mein Po abgeblieben?, frage ich mich, als ich vor dem großen Spiegel im Badezimmer stehe. Er hat sich über Nacht verabschiedet, genau wie weitere zwei Kilos an Körpergewicht. Mir steht nicht länger der Sinn nach Pizzen und China Essen außer Haus und ich ringe mich durch, nach fünf Tagen, die ich aus Rücksicht auf Martin im Gästezimmer geschlafen habe, wieder den Alltag einzuläuten.

Im Supermarkt schiebe ich meinen prall gefüllten Einkaufswagen in Richtung Kasse und staune nicht schlecht. Mr. Salsa. Der Albino Finanzdienstleistungs- Rammler steht mit Frau und seinen drei Kleinkindern vor mir an. Super, er hat mich noch nicht entdeckt und so kann ich das Gespräch mit seiner Ehefrau unbemerkt belauschen.
   »Morgen bin ich pünktlich, versprochen. Kuss? Nun sei doch nicht mehr böse mit mir. Du weißt doch, der Jahreswechsel ist immer so anstrengend und zeitaufreibend. Spätestens im Februar kehrt wieder Ruhe ein. Kuss?«
Aber Frau Albino hat wenig Interesse an seinen Ausreden und nach seinen schlabbrigen Küssen steht ihr augenscheinlich nicht der Sinn. Sie ist damit beschäftigt ihrer drei bis sechsjährigen Brut die vielen Süßigkeiten aus den Händen zu nehmen, die sie im Kassenbereich eingesammelt haben. Die Mutter der drei Kinder ist gute zehn, wenn nicht sogar fünfzehn Jahre jünger als Anja. Ob meine Freundin überhaupt ahnt, dass sie sich mit einem dreifachen Familienvater eingelassen hat?

Meine Versuche, ihr ins Gewissen zu reden, enden im Streit.  
   »Es ist nur Sex. Andere Frauen gehen ins Fitness Studio, ich gehe mit ihm ins Bett.«
Sie beschimpft mich als Heuchlerin. Schließlich hätte ich Corinna gegenüber auch keine Skrupel gehabt.
   »Du liebst diesen Michel doch gar nicht. Also vergleiche es nicht mit Martin und mir!«, schreie ich sie an. Plötzlich trifft mich ihr erbitterter Blick, der mir das erste Mal Neid und Missgunst offenbart.
   »Nicht jeder ist so ein Glücksschwein wie du, Charlotte. Gerald ist nicht die wahre Liebe meines Lebens, und so reich wie dein Martin ist er auch nicht. Unser Sex ist öde und nicht gigantisch. Auch ich werde bald fünfzig und solange ich noch Spaß empfinde, werde ich jede Sekunde auskosten. Also rede mir kein schlechtes Gewissen ein.«

Was mich bedrückt, will Martin abends wissen. Aber ich schweige still. Es ist nicht nur der Streit mit Anja, der mir zu schaffen macht. Morgen ist der erste Februar und ich habe noch immer keinen Nachfolgeauftrag. Meine Mitarbeiter werden zur Arbeit erscheinen und ich weiß nicht, wie ich sie alle beschäftigen soll. Ein, zwei Monate halte ich es finanziell durch, sie durchzuziehen. Sollte Liebermann allerdings seinen Auftrag nicht bald erteilen, wird es eng.
   »Du hast abgenommen«, stellt Martin richtig fest, als seine Hände über meinen nicht mehr vorhandenen Hintern streichen. Vor zehn Jahren hätte ich es für ein Kompliment gehalten, mittlerweile macht mir meine rapide Gewichtsabnahme selber Angst.
 

Im Februar Schnee und Eis, macht den
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