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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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den großen Tisch. Anja stellt uns in bester Laune den Anwesenden vor und strahlt über das ganze Gesicht. Verwundert frage ich sie nach dem Grund für ihre gute Stimmung. Aber sie grinst nur, während Gerald ein Gesicht zieht und verkündet »Ich wollte Anja mit einem Urlaub in die Berge überraschen. Zwei Wochen Skilaufen, aber...«
Ich schaue ihn an und frage mich kopfschüttelnd, wie er nur auf diese blöde Idee kommen konnte. Es ist doch bekannt, dass sie Wintersport nicht mag. Für eine Woche Urlaub auf die Kanaren wäre sie ihm bestimmt vor Freude um den Hals gefallen. Er kennt sie wirklich nicht gut.
   »Und nun?«
   »Und nun wird Gerald sich eine andere Begleitung suchen müssen. Weil der Geizhals nämlich an einer Rücktrittversicherung gespart hat, wird er die Reise nun auch antreten. Interesse Martin? Das wird bestimmt ein Heidenspaß«, lacht Anja in die Runde. Aber Martin winkt gleich ab.
   »Inventur«, erklärt er. Anjas Interesse gilt ihrem Tischnachbarn. Michel, wie sie ihn nennt, unterhält sich bereits eine geschlagene halbe Stunde mit ihr. Immer wieder nickt sie zustimmend und grient.
   »Worüber quatscht ihr die ganze Zeit?«, will ich wissen.
   »Michel sucht eine Partnerin für einen Tanzkursus. SALSA, Lotte!« ruft sie begeistert über den Tisch, erhebt sich und lässt ihren Körper rhythmisch kreisen. Früher war Anja eine begnadete Tänzerin. Und sogar sehr erfolgreich. Rund zehn Pokale hat sie während ihrer aktiven Zeit gewonnen. Gerald meint, seine Frau  solle ruhig zusagen. Solange der Kurs nicht gerade auf den freien Montag fällt, hätte er nichts dagegen. Du Ahnungsloser, denke ich. Bisher hat Anja mit jedem ihrer Tanzpartner ein Techtelmechtel angefangen. Die Tatsache, dass sie nun eine verheiratete Frau ist, wird sie vermutlich nicht davon abhalten. So wie sie Michel anschwärmt, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Optisch kann Mr. Salsa Gerald nicht das Wasser reichen. Gegen ihn wirkt er wie eine blasse Weißwurst. Auf der Toilette stelle ich sie zur Rede.
   »Du baggerst nicht wirklich diesen Albino an, oder?«
   »Ich finde ihn total sexy.«
   »Dann solltest du dir eine stärkere Brille verschreiben lassen. Woher kennst du ihn überhaupt?«
   »Er ist Geralds Vermögensberater und kümmert sich um seine Finanzen.«
   »Dabei sollte er es besser bewenden lassen. Mensch Anja, komm zur Vernunft.«
   »Zu spät, Lotte. Es ist schon passiert und ich kriege nicht genug von meinem Albino Hasen. Wenn du verstehst, was ich meine.«
   »Bitte keine Einzelheiten.«
   »Aber du hältst Martin gegenüber die Klappe. Versprich es!«
Na, das versteht sich doch von selbst.

Dass Kaufhaus Huber nicht auf meine Mails reagiert, macht mir langsam Sorgen. Wir haben gerade die letzte Teillieferung verladen. Damit ist der Auftrag erledigt. Ob und wie es danach weitergeht, steht in den Sternen. Statt noch weiter geduldig auf seine Rückmeldung zu warten, greife ich zum Telefon.
   »Tut mir leid Frau Talbach. Herr Huber hat unser Unternehmen verlassen. Herr Liebermann ist sein Nachfolger. Hat er sich noch nicht bei Ihnen vorgestellt?«
Nein, hat er nicht und ich ahne nichts Gutes. Herr Liebermann wird seinem Namen nicht gerecht. Er gibt sich überheblich und kostet seine Machtposition als Chefeinkäufer genüsslich aus.
   »Geduld, Frau Talbach, Geduld. So wie es sich für mich darstellt, besteht doch kein Grund zur Eile. Wir melden uns bei Ihnen.«
Ich halte meinen Stinkefinger in die Luft und fluche laut los. Wieder so ein Sesselpupser, der keinen Schimmer von der Praxis hat. Heute bestellt, morgen geliefert? Wir können doch nicht hexen. Falls der Auftrag nicht bis spätestens Februar eingeht, werde ich allen Mitarbeitern kündigen müssen. Franz und Adina bekommen bestimmt recht schnell wieder einen Job. Aber für Mathilda, Helga und Ingeborg würde es den vorzeitigen Ruhestand bedeuten. In ihrem Alter sind die Aussichten auf eine neue Arbeit verschwindend gering. Ich verdränge das Thema. Auf keinen Fall werde ich vor Weihnachten die Pferde scheu machen und ihnen das Fest verderben. Mit den besten Wünschen entlasse ich sie in ihren wohlverdienten Urlaub.

Drei Weihnachtsfeiern, das große Schlemmen zu Heiligabend mit der ganzen Familie und bis Silvester habe ich auch keine Kalorien gezählt. Mein gespannter Blick auf die Waage lässt mich aufschrecken. Ich habe nach wochenlanger Völlerei drei Kilos abgenommen. Überhaupt mache
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