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Ein leicht versalzenes Jahr

Ein leicht versalzenes Jahr

Titel: Ein leicht versalzenes Jahr
Autoren: Frieda Lamberti
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neue Assistentin hat vorgeschlagen, das Fest in einem ehemaligen Fabrikgebäude stattfinden zu lassen, in dem junge Nachwuchskünstler auftreten. Was uns dort genau erwartet, kann er mir auch nicht erklären. Drei weitere Tage sind in meinem Kalender fest verplant. Die Weihnachtsbäckerei mit den Enkeln und ihren Freunden in meiner Küche, mein Shopping Tag mit Anja und der Termin zur Mammographie, den jede Frau im Alter ab 50 zum Pflichttermin machen sollte. Für heute steht mein Besuch bei Maria an. Sie ist seit einer Woche aus Italien zurück und Sergio meinte, der Urlaub hätte ihr richtig gut getan.

Martin nimmt mich mit seinem Wagen mit in die Innenstadt und setzt mich vor dem Haus der Martinellis ab. In spätestens zwei Stunden wollen wir uns vor dem Alsterhaus zu einem ausgiebigen Stadtbummel treffen und Weihnachtsgeschenke einkaufen. Vor einem Jahr wäre es völlig undenkbar gewesen, dass er meinem spontanen Vorschlag ohne wenn und aber zustimmt. »Seibert, du machst dich«, lobe ich ihn und gebe ihm zum Abschied einen Kuss auf den Mund.

Klingeln brauche ich nicht. Noch bevor ich die Haustür erreiche, höre ich den Summer und beeile mich auf den letzten Metern. Schwer atmend, nehme ich die letzten Stufen in den dritten Stock.
   »Du prustest ja wie ein schwangeres Nilpferd. Hast du etwa was an der Lunge?«, empfängt Maria mich und ich schmunzle über ihre herzliche Begrüßung. Schon im Flur kriecht mir der Duft frisch gebackener Kuchen in die Nase. Ich kann zwischen Panettone, Orangen Mandel Kuchen und einer Tiramisu Torte wählen. Ich trinke den weltbesten Cappuccino und lehne einen Grappa ab. Wir tauschen Neuigkeiten aus und ich staune, als sie mir berichtet, dass sie und Alfredo die Plantage in Cantanzaro gekauft haben.
   »Das Gebäude reißen wir ab und bauen uns ein kleines, schmuckes Häuschen. Wenn alles nach Plan läuft, werden mein Mann und ich im Frühjahr schon umsiedeln.«
   »Ihr wollt Hamburg ganz verlassen?«
   »Es wird Zeit, das Ruder an Sergio zu übergeben. Alfredo meint auch, wir sollten jetzt an uns denken und unseren wohlverdienten Ruhestand genießen.«
Sie verlässt das Wohnzimmer, um einen weiteren Kaffee zuzubereiten und mein Blick fällt auf ihre Kommode. Ich stehe auf und betrachte die Fotos von Maurizio, die in schwarzen Holzrahmen zwischen brennenden Kerzen und frischen Blumen stehen. Die vier Bilder zeigen ihn als Baby, bei seiner Kommunion, als jungen Mann auf einem Motorrad und zuletzt in seiner grünen Schürze auf dem Großmarkt, so wie ich ihn kennengelernt habe. Meinen lauten Seufzer hört Maria nicht und ich setze mich rasch zurück, noch bevor sie mit zwei Tassen wieder das Wohnzimmer betritt.
   »Wann holt ihr eure Hochzeit nach?«, will sie von mir wissen und erwischt mich kalt mit ihrer Frage. Bisher haben Martin und ich noch nicht darüber gesprochen. Ahnungslos zucke ich mit den Achseln.
   »Das hat keine Eile.«
   »Auch wenn ich mich wiederhole, Carlotta. Deine Uhr tickt.«
Ach, Maria. Mir steht jetzt wirklich nicht der Sinn danach, zu heiraten. Meine beiden letzten Feste endeten in Tragödien. Ich will das Schicksal nicht herausfordern.

Im ganzen Haus duftet es weihnachtlich. Wie jedes Jahr habe ich Kränze und Gestecke aus frischer Tanne gefertigt und den Wohnraum festlich geschmückt. Von Martin habe ich zum Nikolaustag einen ebook Reader geschenkt bekommen. Eine wirklich sinnvolle Anschaffung, denn unser Bücherregal platzt bereits aus allen Nähten. Aus seinem Vorschlag, den Abend gemütlich zu Hause zu verbringen, den Kamin anzuzünden und auf dem Sofa zu lesen wird allerdings nichts. Wir sind bei Anja und Gerald eingeladen, die ihren ersten Hochzeitstag mit uns feiern wollen.
   »Feiert man seinen Hochzeitstag nicht eigentlich zu zweit?«
Ich gebe Martin Recht, merke aber an, dass wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen sollten.
   »Es könnte ihr letzter Hochzeitstag sein.«
So wie Anja über ihren Mann schimpft und lästert, würde es mich nicht wundern, wenn das Ende bereits in Sichtweite ist. Ich kenne meine Freundin. Seit Wochen steht ihr die Unzufriedenheit ins Gesicht geschrieben.
   »Gerald hat keine Frau gesucht, sondern eine billige Arbeitskraft«, rief sie vorgestern aufgebracht ins Telefon. Ich bin gespannt auf ihre heutigen Tiraden und fahre mit meinem lustlosen Begleiter zur Alten Mühle.

Die Feier findet im kleinen Clubraum statt. Mit uns gesellen sich rund zwölf andere Gäste um
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