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Ein Kuss vor Mitternacht

Ein Kuss vor Mitternacht

Titel: Ein Kuss vor Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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nur selten anzutreffen war.
    „Wie dem auch sei“, fuhr Lady Haughston fort, „Sie sollten sich die Zeit gönnen, Ihren Aufenthalt in London zu genießen.“
    „Ich habe bereits einige Museen besucht“, erklärte Constance erleichtert, endlich etwas zu dem Gespräch beitragen zu können, „und fand diese Ausflüge sehr interessant.“
    „Tatsächlich? Nun, Ihr Interesse an Kunst in allen Ehren. Aber ich denke eher an vergnüglichere Beschäftigungen, etwa an einen Einkaufsbummel.“
    „Einkaufsbummel?“, wiederholte Constance verständnislos. „Was denn, Mylady?“
    „Nun ja, das hängt davon ab, was Ihnen gefällt. Ich für meinen Teil lege mich vorher nie fest“, antwortete Lady Haughston leichthin mit dem Anflug eines Lächelns, das ihr den Ausdruck einer zufriedenen Katze verlieh. „Das wäre mir viel zu langweilig. Ich ziehe es vor, mich auf Entdeckungstour zu begeben und durch die eleganten Geschäfte zu streifen. Vielleicht hätten Sie Lust, mich morgen zu begleiten?“
    Constance sah sie überrascht an. „Wie bitte?“
    „Auf eine Einkaufsexpedition“, antwortete Lady Haughston lachend. „Machen Sie kein so ein entgeistertes Gesicht. Ich verspreche auch, Ihre Geduld nicht übermäßig zu strapazieren.“
    „Ich … bitte um Verzeihung“, stammelte Constance zutiefst verlegen. „Sie halten mich gewiss für eine einfältige Landpomeranze. Aber Ihr freundliches Angebot kommt so völlig unerwartet. Ich würde Sie wirklich gern begleiten, obgleich ich fürchte, ich wäre eine ziemlich langweilige Gesellschafterin.“
    „Machen Sie sich darum keine Sorgen“, entgegnete Lady Haughston mit schelmisch blitzenden Augen. „Glauben Sie mir, wir beide werden uns köstlich amüsieren, dafür sorge ich.“
    Constance lächelte. Was immer diese Einladung auch bedeuten mochte, die Aussicht, einen Tag ohne Tante und Cousinen zu verbringen, erfüllte sie mit Freude. Und es war nur menschlich, dass sie einen Anflug boshafter Genugtuung empfand bei dem Gedanken an das betroffene Gesicht ihrer Tante, wenn sie erfuhr, dass eine der prominentesten Damen der Londoner Gesellschaft Constance eingeladen hatte.
    „Gut, dann sind wir uns einig“, sagte Lady Haughston. „Ich hole Sie morgen ab, sagen wir gegen ein Uhr, und wir machen uns einen hübschen Tag.“
    „Sie sind sehr freundlich.“
    Wieder schenkte Francesca ihr ein strahlendes Lächeln, drückte Constances Hand und verschwand im Gedränge. Constance schaute ihr nach, die Gedanken schwirrten ihr wirr durch den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, aus welchem Grund Lady Haughston sich für sie interessierte, aber es würde gewiss aufregend werden, das herauszufinden.
    Sie drehte sich um und blickte zur Stelle hinüber, wo Onkel und Tante gestanden hatten, konnte sie aber in der Menge nicht ausmachen. Da ihre Tante nicht wissen konnte, wann Lady Haughston sich verabschiedet hatte, durfte Constance sich erlauben, sie noch ein Weilchen warten zu lassen, ohne eine Zurechtweisung befürchten zu müssen. Also sah sie sich suchend um, entdeckte eine offene Tür und huschte in einen breiten Flur, wo einige Gäste, die dem Lärm und der Hitze des Ballsaals entflohen waren, in kleinen Gruppen zusammenstanden und plauderten. Niemand schenkte ihr Beachtung, als sie den Korridor entlangeilte – ein Umstand, den sie gewiss ihrem schlichten Kleid zu verdanken hatte.
    Sie bog in einen schmaleren Flur ein, der an zwei offenen Flügeltüren vorbeiführte. Constance hielt inne, stutzte, und dann betrat sie vorsichtig eine riesige Bibliothek, deren Bücherschränke vom Fußboden bis zur Decke reichten, nur die hohen Fenster waren ausgespart. In neugieriger Aufregung trat sie näher und ließ den Blick über die langen Bücherreihen wandern.
    Ihr Vater war ein belesener Mann gewesen, der sich mit entschieden größerer Hingabe mit schöngeistiger Literatur und wissenschaftlichen Abhandlungen befasste als mit Geschäftsbüchern. Die Bibliothek in ihrem Elternhaus, die allerdings wesentlich kleiner war als dieser Raum, war vollgestopft mit Büchern.
    Constance trat an die Regale an der gegenüberliegenden Wand und las die Titel der ledergebundenen Werke, als sie draußen auf dem Korridor eilige Schritte hörte. Kurz darauf stürmte ein Mann mit gehetzter Miene herein. Er verharrte eine Sekunde, bevor er Constance entdeckte, die ihn entgeistert anstarrte.
    Er legte einen Zeigefinger an die Lippen und schlüpfte lautlos hinter den offenen Türflügel.

2. KAPITEL
    Constance blinzelte
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