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Ein Kuss vor Mitternacht

Ein Kuss vor Mitternacht

Titel: Ein Kuss vor Mitternacht
Autoren: Candace Camp
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Idee gekommen wäre, ihre Nichte hätte noch Chancen, einen Ehemann abzukriegen, und Constance hatte sich dieser Meinung angeschlossen. Sie war zwar keine reizlose junge Frau – sie hatte graue ausdrucksvolle Augen und dunkelbraunes rötlich schimmerndes Haar –, galt aber mit achtundzwanzig als alte Jungfer, die den Zeitpunkt überschritten hatte, um der Gesellschaft präsentiert zu werden. Sie durfte auch nicht hoffen, Kleider in hellen Pastelltönen zu tragen oder ihr Haar in hübsche Löckchen einzudrehen. Tante Blanche bestand darauf, dass Constance im Haus ein züchtiges Häubchen trug, wobei Constance sich allerdings weigerte, dieses untrügliche Symbol vereitelter Hoffnungen auch bei gesellschaftlichen Anlässen aufzusetzen.
    Constance bemühte sich redlich, die Erwartungen ihrer Tante nicht zu enttäuschen, da ihr klar war, dass ihre Verwandten nicht verpflichtet gewesen wären, sie nach dem Tod ihres Vaters bei sich zu behalten. Ihre Beweggründe erklärten sich in etwa zu gleichen Teilen aus ihrer Furcht vor gesellschaftlicher Missbilligung und dem Umstand, auf diese Weise eine unbezahlte Haushaltshilfe zu erhalten, was Constance freilich nicht davon entband, Onkel und Tante unentwegt ihre Dankbarkeit erweisen zu müssen. Das Geschnatter ihrer Cousinen war allerdings wesentlich schwieriger zu ertragen, zwei alberne Gänschen, maßlos eitel und eingebildet auf ihr Aussehen, wofür es nicht den geringsten Anlass gab. Constance hasste es – auch wenn sie sich eingestehen musste, ebenfalls ein wenig eitel zu sein –, in grauen, braunen oder dunkelblauen Kleidern herumzulaufen, in langweiligen Farben, die ihre Tante für eine unverheiratete Frau eines gewissen Alters geziemend fand.
    Immerhin bereitete es ihr einiges Vergnügen, die glitzernden Ballkleider der Damen der vornehmen Gesellschaft zu bewundern. Constance entdeckte oben auf der Galerie ein elegantes Paar, das den Blick über die Gäste im Saal schweifen ließ. Auf Constance wirkten die beiden wie ein Königspaar, das seine Untertanen huldvoll musterte. Kein abwegiger Vergleich, da der Duke of Rochford und Lady Francesca Haughston zu den einflussreichsten und berühmtesten Vertretern der Londoner Gesellschaft zählten. Constance kannte natürlich niemanden der Gäste persönlich, da diese in besseren Kreisen verkehrten als Onkel Roger und Tante Blanche üblicherweise.
    Das hoheitsvolle Paar schritt nun die Treppe herab und tauchte in der Menge unter.
    „Constance, sei so lieb und suche Margarets Fächer, sie scheint ihn verloren zu haben“, wandte Tante Blanche sich an sie.
    Die nächsten Minuten verbrachte Constance damit, unter Stühlen Ausschau nach dem verlorenen Fächer zu halten. Erst als ihre Tante hörbar den Atem einsog, hob sie erschrocken den Kopf in der Befürchtung, Tante Blanche könne sich unpässlich fühlen. Und dann entdeckte sie zwei sich nähernde Damen. Lady Haughston in Begleitung der strahlenden Gastgeberin, Lady Welcombe.
    „Lady Woodley. Sir … ähm …“
    „Roger“, ergänzte der Onkel hilfreich.
    „Natürlich. Sir Roger. Wie ist das werte Befinden? Ich hoffe, meine kleine Abendgesellschaft gefällt Ihnen“, sagte Lady Welcombe zu Tante Blanche und wies mit einer ausladenden Geste in den überfüllten Ballsaal. Ihr verschmitztes Schmunzeln verriet den humorvollen Hintersinn ihrer Bemerkung.
    „Aber ja, Mylady. Ein grandioses Fest. Ich könnte schwören, dies ist der schönste Ball dieser Saison. Soeben sagte ich zu Sir Roger, dies ist das glanzvollste Gesellschaftsereignis, das wir bisher besuchten.“
    „Nun, die Saison hat ja gerade erst begonnen“, antwortete Lady Welcombe in aller Bescheidenheit. „Wollen wir hoffen, dass mein Fest bis zum Juli nicht in Vergessenheit geraten ist.“
    „Aber gewiss nicht, davon bin ich überzeugt.“ Tante Blanche erging sich in überschwänglichen Lobesworten über den Blumenschmuck, den Lichterglanz, die verschwenderische Dekoration. Erst als sie Atem holte, fand Lady Welcombe Gelegenheit, sie zu unterbrechen. „Darf ich Sie mit Lady Haughston bekannt machen?“ Damit wandte sie sich an ihre Begleiterin. „Lady Haughston, das ist Sir Roger Woodley, und seine Gemahlin Lady Woodley und dies sind … ihre reizenden Töchter.“
    „Sehr erfreut“, grüßte Lady Haughston und streckte ihre feingliedrige weiße Hand aus.
    „Oh, Mylady! Welche Ehre!“ Tante Blanches Gesicht war vor Aufregung rot angelaufen. „Ich bin hocherfreut, Sie kennenzulernen. Gestatten Sie mir
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