Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ein koestliches Spiel

Titel: Ein koestliches Spiel
Autoren: Anne Gracie
Vom Netzwerk:
rufen, wenn er vorher eine von uns verletzt hatte, aber ich möchte, dass Sie jetzt mit mir in ihr Schlafzimmer kommen und es sich selbst ansehen.“
    Schwer seufzend stellte er seine Tasse ab. „Nun gut, ich werde sie mir anschauen, aber ich verspreche nichts.“
    Der Arzt untersuchte Grace in grimmigem Schweigen. Die Schrammen in Charitys und Prudences Gesicht entgingen ihm nicht. Nachher, als sie wieder unten im Salon saßen, ließ er sich schwer auf seinem Stuhl nieder, sichtlich erschüttert. „Es tut mir leid, aber ich hatte keine Ahnung. Und Sie sagen, das hier ist nicht das erste Mal?“
    Prudence nickte. Es brachte nichts, sich wegen Vergangenem den Kopf zu zerbrechen. Sie hielt den Blick fest auf die Zukunft gerichtet. „Wenn ich in acht Wochen einundzwanzig werde, werde ich nach dem Willen meines Vaters der gesetzliche Vormund meiner Schwestern.“
    „Gut, dann ...“
    „Allerdings können wir nur erst an das Geld, das unsere Mutter uns hinterlassen hat, wenn wir heiraten. Wir haben kein eigenes Geld. Nur genug für ein paar Monate. Danach sind wir mittellos und müssen verhungern, es sei denn, Großvater händigt uns unser Erbe aus.“ Sie schaute dem Arzt ins Gesicht. „Und er wird uns das Geld nicht geben. Er sagt, er wird keine von uns je heiraten lassen. In dem Punkt ist er unerbittlich. Wir gehen nirgendwo mehr hin, noch nicht einmal mehr in die Kirche. Wir sehen niemanden, und niemand sieht uns. Wie kann eine von uns da heiraten? Sie wissen selbst, wie schön meine Schwestern sind, was für ein Verbrechen es ist, sie vor der Gesellschaft abzuschotten.“
    Prudence betrachtete seine Miene, versuchte zu entscheiden, ob sein Gewissen ausreichend geweckt war. Sie nahm seine Hand und erklärte: „Dr. Gibson, wir müssen entkommen. Wir haben diese kleine Zeitspanne geschenkt bekommen, in der er ans Bett gefesselt ist. Aber wenn Großvater es nicht sofort merken soll, dann müssen Sie uns helfen.“
    Der Arzt seufzte. „Gut. Was soll ich tun?“
    Prue schaute kritisch und mit gerunzelter Stirn auf die Worte, die sie geschrieben hatte. Die zittrige Handschrift sah genau richtig aus. Höchstens ein bisschen weniger schnörkelig und exakter bei den i-Punkten. Großvater setzte jeden i-Punkt immer ganz genau.
    „Ist der Arzt fort? Was hat er gesagt?“ Prudences Schwestern betraten das Zimmer.
    Charity spähte ihr über die Schulter. „Wem schreibst du? Wieder Phillip?“
    „Nein, nicht Phi...“
    „Wen interessiert schon Phillip?“, unterbrach sie Hope. „Du schreibst ihm ständig. Was hat Dr. Gibson über Großvater gesagt?“
    „Der Brief ist nicht an Phillip.“ Prudence tupfte sorgfältig die Tinte ab. „Er ist an Großonkel Oswald.“
    „Großonkel Oswald?“, rief Hope verwundert. „Großvaters missratener Bruder?“ Sie runzelte die Stirn. „Wird Großvater doch sterben?“
    „Nein, er müsste sich in etwa fünf oder sechs Wochen erholt haben.“
    „Warum willst du dann Großonkel Oswald schreiben?“, erkundigte sich Charity. „Er wird Großvater nicht am Krankenbett Trost spenden wollen. Zwischen den beiden gibt es keine brüderliche Zuneigung.“
    „Darauf verlasse ich mich“, erklärte Prudence. „Was die Frage angeht, warum ich ihm schreibe, so schreibe ich ihm gar nicht. Dieser Brief ist von Großvater.“
    „Was?“, ertönten mehrere Stimmen im Chor.
    Sie las laut:
    „Werter Oswald,
    ich weiß, wir sind nicht immer einer Meinung gewesen, wie Brüder es sicher sollten, dennoch bin ich bereit, Vergangenes ruhen zu lassen - zum Wohl der Mädchen. “
    In dem erstaunten Schweigen, das darauf folgte, hielt sie den Brief mit zwei Fingern in die Höhe und wedelte das Blatt in der Luft, um die Tinte zu trocknen. „Kurz gesagt, Großvater bittet seinen Bruder, uns eine Saison in London zu ermöglichen. Und uns Ehemänner zu suchen.“ Sie legte den Brief vorsichtig auf den Tisch. „Wir entkommen von hier. Wir kehren nie mehr nach Dereham Court zurück.“
    „Prudence!“, rief Charity. „Der Brief ist schlimmer als eine Irreführung - er ist eine Fälschung. Das ist Betrug!“
    Prudence zuckte die Achseln. „Ja, aber welche andere Wahl haben wir? Ich bin fest entschlossen, dass Großvater nie wieder Hand an eine von uns legen wird.“
    „Es ist Sünde“, flüsterte Faith.
    Prudence warf den Kopf in den Nacken. „Nun, Großvater hat immer schon behauptet, ich sei verdorben und schlecht, daher werde ich ihm eben zeigen, dass er recht gehabt hat. Wir gehen alle zusammen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher