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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Autoren: Trevanian
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freilich nicht; sie beteuern regelmäßig, sie hätten die Geschichten noch nie gehört, obwohl Moische und David mit dem Priester und dem Polizisten schon seit dreizehn Jahren jeden Donnerstag- und Montagabend Karten spielen.
    Das Hinterzimmer ist gerammelt voll mit übereinandergestapelten alten Möbeln und Polstermaterial, dazwischen steht der Webstuhl, auf dem Moische für besonders gute Kunden Sonderanfertigungen macht. In der Mitte ist unter einer nackten Glühbirne Platz freigeräumt für den Kartentisch. Irgendwann im Laufe des Abends werden sie eine Pause machen und Sandwiches essen, die Moische zurechtmacht, und den Wein trinken, den LaPointe mitgebracht hat.
    Pater Martin steuert lediglich seine Gegenwart bei und seine Geduld. Und das ist kein kleines Opfer, ist er doch jedesmal Davids Partner.
    Den ganzen Abend gehen die Gespräche hin und her. Moische und Pater Martin freuen sich auf diese Gelegenheit, über Gott und die Welt zu diskutieren, über Leben und Liebe, Recht und Gesetz, die Rolle des Menschen, das Wesen der Wahrheit. Beide sind sie belesene Männer. David erzählt seine Witze mit beißendem Zynismus, ohne den die philosophischen Höhenflüge der beiden sich überschlagen und die Erde verlassen würden.
    LaPointes Rolle ist die des Zuhörers.
    Für alle vier sind diese Abende zweimal in der Woche zu Oasen in ihrem täglichen Einerlei und zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Sollten sie jemals enden, wäre die Leere unausfüllbar. Sie hätten nicht sagen können, wann sie sich das erste Mal getroffen hatten; es war, als hätten sie schon immer donnerstags und montags Karten gespielt. Pater Martin hatte David und Moische kennengelernt, als er die Main für Spenden zur Unterstützung seiner arg angeschlagenen Vielsprachen-Gemeinde abklapperte. Aber wie es dann zum gemeinsamen Kartenspiel gekommen war, konnte er nicht sagen. Ebenso zufällig war LaPointe zu der Runde gestoßen. Eines Nachts hatte er, als er die Straße zu Bett gebracht und sich auf den Heimweg gemacht hatte, hinten im Laden Licht gesehen und an die Scheibe geklopft, ob alles in Ordnung sei. Sie spielten zu dritt ›Halsabschneiden‹. Vielleicht fühlte sich LaPointe an jenem Abend einsam, ohne es zu wissen – jedenfalls nahm er ihr Anerbieten an, mitzuspielen.
    Als sie mit dem Spielen anfingen, standen sie alle in den Vierzigern. LaPointe ist heute dreiundfünfzig; und Moische muß knapp über sechzig sein.
    David reibt sich die fleischigen Hände und schielt zu seinen Freunden rüber. »Also, wer gibt? Das Glück war den ganzen Abend gegen mich, aber jetzt fühl' ich mich stark. Unser guter Pater und ich werden euch arme Waisenkinder gleich mal zu Hackfleisch machen. Na, warum gibt denn keiner?«
    »Weil du dran bist, David«, erinnert ihn Moische.
    »Ah, drum! Okay, jetzt geht's los!«
    David hat so eine Art schnell zu geben, daß sich immer mal wieder eine Karte überschlägt. Jedesmal, wenn ihm das passiert, sagt er: »Hoppla! Die Schokoladenseite!« Bloß seine eigenen Karten überschlagen sich nie. Er greift mit großer Geste in sein Blatt und fängt an, es zu ordnen, wobei er Laute überraschten Erstaunens ausstößt, die seine Gegner einschüchtern sollen. »Hallo, hallo, hallo!« sagt er, wenn er eine gute Karte an die richtige Stelle schiebt und sie mit dem Finger runterstupst.
    David ist ländlicher Herkunft und Slawe. Er ist groß und kräftig, unverfälscht in Gesichtsausdruck und Persönlichkeit, gesellig, rauh und herzlich. Wenn er wütend wird, brüllt er; wenn er sich von Menschen oder vom Schicksal hereingelegt fühlt, beklagt er sich bitter und ausgiebig; wenn er sich freut, strahlt er. Die robuste, lebensfrohe Städtel-Tradition hat seine Natur geprägt. Geschäftlich ist er ein As im Handeln, dabei grundanständig. Vertrag ist Vertrag, ganz gleich, wie es kommt. Wenn auch der Ruf des kleinen Unternehmers bei den Innenarchitekten von Westmont auf Moisches handwerkliches Können beruht, wäre ihr Geschäft ohne Davids Energie und Gewitztheit schon längst pleite. Seine Persönlichkeit drückt sich haarscharf aus in der Art, wie er Karten spielt. Er neigt dazu, etwas zu hoch zu reizen, und findet das Spiel uninteressant, wenn ein anderer Trumpf angesagt hat. Wenn er auf sichere Stiche lossteuert, knallt er jede einzelne Karte mit Triumphgebrüll auf den Tisch. Sieht er sich in die Enge getrieben, stöhnt er auf und schlägt sich mit der Hand vor die Stirn. Er wird ungeduldig, wenn Moische und Pater
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