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Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit

Titel: Ein Herzschlag bis zur Ewigkeit
Autoren: Trevanian
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Die Menschen weichen ängstlich aus, aber ein Hackenabdruck zeigt, daß doch einer hineingetreten ist.
    Ein Krüppel kämpft gegen den Fußgängerstrom auf der Main an. Er klatscht die Füße auf das Pflaster und zerrt seinen Rumpf mit äußerster Anstrengung ruckartig hin und her. Er reißt sich vorwärts, setzt dann einen Fuß vor, um nicht hinzufallen. Ein Ruck, ein Drall, ein schlaffer Klatsch des Fußes. Er ist jung, hat ein auffallend leeres Gesicht und einen zu großen Kopf. Eine Hasenscharte verzerrt seinen Mund. Große Augen blicken durch die dicken Gläser einer Blechbrille, die ihm scharf im Gesicht sitzt. Ein Auge schaut durch den unteren Teil des Glases, während die Pupille des anderen Auges durch den oberen Brillenrand halbiert wird. Gegen seine Brust krümmt sich eine verschrumpelte Hand in einem blaßblauen Handschuh. Zwischen den Zähnen steckt eine krumme Pfeife, die gar nicht zu ihm paßt. Er sabbert. Süßlicher Rauch ergießt sich über seine Schultern und löst sich im Gewirbel seines Vorwärtsrückens auf.
    Mit seinen torkeligen Schritten schreckt er die Leute aus ihren verschlungenen Gedanken auf. Sie treten beiseite, um ihm Platz zu machen und ihm ja nicht zu nahe zu kommen. Sie wenden sich ab. Den Lahmen, der sich mit wütender Entschlossenheit vorwärtsarbeitet, umgibt Furcht und Ekel. An seinem Bug bricht sich die Menschenflut, schlägt in seinem Kielwasser wieder zusammen und hat ihn schon vergessen. Sie haben ihre eigenen Probleme, ihre eigenen Pläne; jeder ist allein und eine Insel in der fremden Menge.
    Chez Pete's Place heißt eine Bar, wo sich die hommes, die Penner, treffen. Es ist die einzige Bar, in die sie reindürfen, und ihre Anwesenheit schließt die anderer Gäste aus. Sperrholz ersetzt das Glas der Fensterscheiben, drinnen ist immer Nacht. Hinter der Bar hockt dick und fett der Wirt und heftet seine wässerigen Augen auf ein Pornoheft in seinem Schoß. Um einen Tisch hinten an der Wand sitzt eine Runde zerlumpter alter Männer mit Händen, deren runzelige Haut vor lauter Dreck schon glänzt. Sie teilen sich eine Zweiliterflasche Wein, und einer von ihnen, Dirtyshirt Red, würzt seinen Wein mit Whisky aus einer Halbliterflasche, die in einer braunen Tüte steckt. Den Whisky bietet er nicht an, und die anderen sind erfahren genug, ihn gar nicht erst darum zu bitten.
    »Nu schaut euch diesen eingebildeten Scheißkerl an!« sagt Dirtyshirt Red und deutet mit dem Kinn auf einen großen, ausgemergelten Tramp, der allein an einem kleinen Ecktisch im Dunkeln sitzt und sich ganz auf sein Glas Wein konzentriert.
    »Pottauslecker, verdammter, ist zu fein, sich zu uns zu setzen«, schimpft der Red weiter. »Glaubt wohl, seine Scheiße stinkt nicht. Aber seinen Fürzen riecht man's an!«
    Die anderen Penner lachen aus Gewohnheit. Den Vet, den Alten, zu verspotten, ist für sie ein beliebter Zeitvertreib. Keiner hat Mitleid mit dem Vet; ist ja auch selber schuld, wenn er immer mit seiner hübschen schnuckeligen Bleibe angibt, die er irgendwo hinter der Main hat. Da kann die Kälte noch so eisig, da kann einer noch so pleite sein, der Vet hat noch keinen in seine Bleibe mitgenommen; er verrät ja nicht mal, wo sie ist.
    »He, wovon träumst du, Vet? Wohl davon, was für 'n Kriegsheld du gewesen bist?«
    Der breitkrempige Schlapphut geht vorn hoch, wie der Vet langsam den Kopf hebt und zu dem Tisch der johlenden hommes hinüberschaut. Er hebt die Brauen und bläht die Nüstern – eine Karikatur aus Überlegenheit –, dann schweifen seine Gedanken wieder zu seinem Glas Wein zurück.
    »O ja! War 'n tapfrer Held. Geschnappt von den Deutschen. Weil die Limeys ihn in Dünkirchen haben sitzen lassen, damit er ihnen nicht die Schiffe verpestet. Und wißt ihr, was für 'ne Heldentat er dann im Kriegsgefangenenlager begangen hat? Hat sich den Arsch mit Glasscherben gespickt, damit die Deutschen sich kastrierten, wenn sie ihn arschficken wollten. Großer Held! Darum läuft er auch so komisch. Sagt, er ist verwundet worden im Krieg. Da hab' ich aber was anderes gehört!« Das ist ein Gekichere und Rippengestoße um den Tisch, aber der Vet geruht nicht, drauf einzugehen. Vielleicht hört er auch gar nicht mehr.
    Lieutenant Claude LaPointe überquerte die Sherbrooke und läßt die düstere Masse des Klosters Zum guten Hirten hinter sich. Er hat den gemessenen Schritt des Polizisten, der sein Revier abklappert. Die Main ist sein Bezirk seit zweiunddreißig Jahren. Damals hatte die
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