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Ein Haus in Italien

Ein Haus in Italien

Titel: Ein Haus in Italien
Autoren: Lisa St Aubin de Terán
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aufgewachsen: Ich habe Italien vergöttert, wie ein Pilger aus der Ferne Mekka vergöttern mag, fest entschlossen, eines Tages hinzufahren. Als junges Mädchen hatte ich wegen der Aussicht geheiratet, in Italien zu leben. Ich kann mich kaum an Zeiten erinnern, zu denen ich nicht in diese Vorstellung verliebt war. Ich saß auf dem Corso Vanucci im Freien, wo sich der pastellrosa- und elfenbeinfarbene umbrische Marmor in der Morgensonne erwärmte, von palastartigen Banken und Büros umgeben, die grau-grünen Berge auf der einen, die große Fontana Maggiore aus der Renaissance auf der anderen Seite, und ich ver
liebte mich in Umbrien. Allerdings verliebe ich mich ständig in Orte. Ich war schon in so viele Orte verliebt, daß ich mich, wie bei alten Liebhabern, nicht mehr an alle Namen erinnern kann.
    Der Ausflug zum Schloß war von dem Moment an zum Scheitern verurteilt, als der Verkäufer nach zwanzig Minuten Geholpere über einen steinigen Weg sein Auto anhielt, es parkte und uns in einen Wagen mit Allradantrieb bugsierte, der dem örtlichen Landvermesser gehörte. Ein Pfad führte uns durch Wälder und Felder, bis wir, fünfzehn mühevolle Minuten später, an einem der wenigen unattraktiven Aussichtspunkte dieses Morgens anhielten.
    »Und das«, sagte der Verkäufer und wedelte beide Arme in Richtung einer kaum wahrnehmbaren Delle in den Brennesseln rundum, »dürfte das Amphitheater sein!« Bei näherem Nachfragen erwies sich diese Idee als Produkt seiner persönlichen Phantasie.
    Von außen war sofort klar, daß die fotokopierte Fotografie dem Gebäude, wenn überhaupt, noch geschmeichelt hatte. Drinnen gab es eine hochmoderne Kochnische mit eingebauter Dusche, eine kleine Eingangshalle mit Zementboden sowie einem riesigen Kamin aus dem vierzehnten Jahrhundert, den man aus der Außenwand unmittelbar dahinter gerissen hatte, wo nun ein Loch von etwa vier auf vier Metern klaffte. Es gab nicht nur keine Dächer, es gab auch weder Fußböden noch Decken, von der winzigen Wohnung abgesehen. Wo der »drei Meter breite Renaissance-Treppenaufgang mit Impruneta-Kacheln« angekündigt war, befand sich ein weiteres Loch mit schwachen rötlichen Spuren an der Wand, die, wie forensische Untersuchungen ergaben, Terrakotta hätten gewesen sein können.
    Etwa hundert Meter weiter, durch einige Jahrhunderte Geröll, das inzwischen fast wieder zu landwirtschaftlicher Nutzfläche geworden war, lag der sagenumwobene Stall mit Kreuzgewölbe. Darüber thronte ein nagelneuer Bungalow. Mit etwas weniger Gestrüpp dazwischen wäre ein nachbarliches Händeschütteln möglich gewesen, ohne daß eine der beiden Parteien das eigene Haus hätte verlassen müssen.
    An der »Schloß«wand oder dem, was davon übrig war, blieb gerade genug Platz, um statt eines Gartens ein Spalier schmaler Bäume unterzubringen. Wo mehr als fünfzig Steine an einem Fleck zusammengeblieben waren, verkündeten breite Mauerrisse quer über die ehemals Heilig Römische Fassade »Epizentrum«.
    Unterdessen spulte der Verkäufer unbeirrt sein Programm herunter, er pries die zahlreichen Möglichkeiten des Anwesens und bediente sich dabei jener speziellen Makler-Alchimie, die Katastrophen zu ausgesprochenen Glücksfällen werden läßt. Auf diese Weise verwandelte sich das Gebäude im Handumdrehen zu einem Projekt für viele High Tech-Kochnischen mit angebauten Minnesängergalerien sowie mehreren ineinandergehenden Innenhöfen. Die Innenhöfe führten zu jenen Teilen des Bauwerks, die bereits abgerissen worden waren.
    Ich habe schon Ruinen gesehen, für die ich fast meine Seele verkauft hätte, aber diese gehörte nicht dazu. Angeblich brachte die römische Armee die Brennessel nach Großbritannien, um der Kälte Herr zu werden. Die römischen Soldaten peitschten ihre nackten Körper damit und vergaßen vor Schmerzen das Frieren. Diese Erinnerung an das alte Rom, die gewöhnliche Brennessel, wuchs überall, drinnen und draußen. Auf dem Weg zu unserem Auto und dessen soeben rui
nierter Federung rieb ich meine angeschwollenen Hände, als der winzige örtliche Landvermesser fragte:
    »Möchten Sie woanders etwas besichtigen? Es ist nicht weit, und es ist etwas völlig anderes.«
    Der Verkäufer, der sich als Allround-Talent mit Gespür für Menschen und Geschäft erwies, fuhr dann mit uns etwa dreißig Kilometer weiter, um uns eine fünfstöckige Villa zu zeigen.
    Beim Anblick eines schönen Hauses oder Gartens setzt mein Herz einen Schlag aus. Als Kind ging ich sonntags
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