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Ein Gebet für die Verdammten

Ein Gebet für die Verdammten

Titel: Ein Gebet für die Verdammten
Autoren: Aufbau
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er.
    Ganz gegen seine Gewohnheit ließ sich Abt Ségdae seine Überraschung anmerken. »Einspruch? Wogegen?«
    »Einspruch dagegen, daß eine Schwester des Glaubens ein Ehebündnis eingeht, noch dazu mit einem Fremdländischen, einem angelsächsischen Bruder, der aus freiem Willen heraus sich den Beschlüssen der Synode von Whitby verpflichtet fühlen und die von Rom festgelegten Regeln befolgen müßte.«
    Abt Ségdae legte sorgenvoll die Stirn in Falten. »Was hast du gegen eine Eheschließung der Lady Fidelma?«
    »Lady Fidelma?« Es klang fast höhnisch. »Wenn ich mich recht erinnere, hat sie in Cill Dara das Gelübde abgelegt, dem Glauben zu dienen. Nach unserer Auffassung ist es unrecht,wenn Nonnen heiraten. Die heilige Lehre besagt, daß wir unserem Herrn nur in Keuschheit dienen können.«
    Abt Ségdae schüttelte entschieden den Kopf.
    »Das ist deine Art zu glauben. Nicht einmal alle, die den Regeln Roms folgen, denken so wie du. Es ist wahr, es gibt einige einflußreiche Verkünder des Evangeliums, die das Zölibat predigen, aber bislang ist die Auffassung nicht allgemein verbindlich. Selbst in Rom gilt das Zölibat nicht als streng zu befolgende Regel. Und sogar das Haus von Ard Macha, das du als deinen Leitstern betrachtest, ist ein gemischtes Haus.«
    »Das wird nicht mehr lange so sein«, versicherte ihm Abt Ultán. »Der Erzbischof hat entschieden, dem Beschluß des Konzils von Nicäa Folge zu leisten, nach dem Eheschließungen dieser Art verdammt wurden.«
    »Verdammt ja, aber nicht per Gesetz verboten«, berichtigte ihn Bruder Madagan.
    »Das ist pure Wortfechterei«, wies ihn Abt Ultán zurecht. »Ich werde jedenfalls in Cashel vorbringen, was ich vorzubringen habe.« Abrupt drehte er sich um und verließ ohne eine versöhnliche Verabschiedung, gefolgt von seiner Begleitung, den Raum.
    Gedankenverloren blickte ihm Abt Ségdae nach, während die anderen um ihn herumstanden und nervös der Dinge harrten, die da kommen würden. Er seufzte vor sich hin und entließ dann die beiden Gelehrten. Allein geblieben mit Bruder Madagan, sagte er zu ihm: »Sorge dafür, daß Abt Ultán und seine Gefährten mit äußerster Ehrerbietung behandelt werden, solange sie unsere Gäste sind, und auch morgen, sollten sie tatsächlich mit uns gemeinsam nach Cashel reisen, ist ihnen alle Höflichkeit entgegenzubringen. Ich bedauere, daß uns Ard Macha mit Abt Ultán einen Gesandten geschickt hat, der jegliches diplomatische Geschick vermissen läßt.«
    »Mir gefällt die Sache nicht«, meinte Bruder Madagan besorgt. »Ich fürchte, uns erwarten in Cashel nicht nur eitel Freude und Sonnenschein. Mich schaudert’s, wenn ich daran denke. Ich spüre es und habe regelrechte Angst.«
    Begütigend schüttelte Abt Ségdae den Kopf. »Abt Ultán droht mit göttlichem Zorn und ewiger Verdammnis. Dennoch ist er ein Glaubensbruder und wird es nicht wagen, jemanden ernsthaft anzugehen. Fürchten muß man ihn nicht.«
    Froh stimmten die Worte Bruder Madagan nicht. »Ich komme mir vor wie ein Seemann, der bei ruhiger See auf Deck steht, die Windstille, die in der Luft liegende Ruhe spürt und doch sieht, wie sich am Horizont dunkle Wolken zusammenballen. Er weiß, daß sich Unheil zusammenbraut. Auch ich weiß es. Was ist falsch daran, daß ich es fürchte? Die Wolken deuten auf Sturm hin. Ich bete, daß sie über Cashel hinwegfegen, ohne sich zu entladen.«
     
    Ein ähnlich heftiger Wind, wie er um die grauen Gemäuer der Abtei von Imleach wütete, fegte auch um den großen Kalksteinfelsen von Cashel, der aus der Ebene aufragte. Darauf standen, von hohen Festungsmauern umschlossen, zahlreiche Gebäude, die von alters her den Herrschaftssitz der Könige von Muman ausmachten. Auf den Felsen gebaut war auch die Kirche, die
cathedra
oder der Sitz des Bischofs von Cashel, ein stolz emporstrebender Rundbau mit Verbindungswegen zum Palas. Die Anlage umfaßte Ställe, Nebengebäude, Herbergen für Gäste, Unterkünfte für die Leibwache des Königs und natürlich auch ein Kloster für die frommen Brüder, die ihren Dienst in der Kirche taten. Unterhalb des Felsens, gewissermaßen in seinem Schatten, lag das Marktstädtchen, das sich unter dem Schutz der Burg zumMittelpunkt des größten Königreichs im äußersten Südwesten von Éireann entwickelt hatte.
    Der Wind trieb Eisregenschauer vor sich her, die einem wie kalte und harte kleine Pfeile schmerzhaft ins Gesicht peitschten. Bruder Conchobhar, der sich, so gut er konnte, vor den
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