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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr
Autoren: Jojo Moyes
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später vorbei? Er hat vorhin angerufen. Hattest du dein Handy ausgestellt?»
    «Mmm.»
    «Er hat gesagt, er will euren Griechenland-Urlaub buchen. Dein Vater hat eine Sendung darüber im Fernsehen gesehen. Wo wolltet ihr noch mal hin? Ipsos? Kalypso?»
    «Skiathos.»
    «Ja, das war’s. Du musst genau aufpassen, welches Hotel ihr nehmt. Überprüf es lieber vorher im Internet. Dein Vater und Daddy haben im Mittagsmagazin so einen Beitrag gesehen. Anscheinend sind die Hotels bei der Hälfte der Billigangebote noch die reinsten Baustellen, und das merkt man dann erst, wenn man dort ist. Daddy, möchtest du einen Tee? Hat Lou dir keinen angeboten?» Sie setzte den Wasserkessel auf und sah mich an. Möglicherweise war ihr aufgefallen, dass ich die ganze Zeit nichts sagte. «Alles in Ordnung, Liebes? Du bist schrecklich blass.»
    Sie streckte die Hand aus, um meine Stirn zu befühlen, als wäre ich viel jünger als sechsundzwanzig.
    «Ich glaube nicht, dass wir in den Urlaub fahren.»
    Die Hand meiner Mutter erstarrte. Sie sah mich mit ihrem Röntgenblick an, den ich seit meiner Kindheit kannte. «Gibt es Probleme zwischen Patrick und dir?»
    «Mum, ich …»
    «Ich will mich nicht einmischen. Aber ihr seid schon so lange zusammen. Da ist es ganz normal, wenn es mal nicht so gut läuft. Ich meine, ich und dein Vater, wir …»
    «Ich habe meinen Job verloren.»
    Meine Stimme hallte in der Stille nach. Die Worte schienen, noch lange nachdem ich sie ausgesprochen hatte, in der Luft zu hängen.
    «Du hast was?»
    «Frank macht das Café dicht. Morgen.» Ich streckte ihr den leicht feuchten Umschlag entgegen, den ich im Schock auf dem gesamten Heimweg in der Hand gehalten hatte. All die 180 Schritte von der Bushaltestelle bis nach Hause. «Er hat mir Geld für drei Monate gegeben.»

    Der Tag hatte ganz normal angefangen. Jeder, den ich kannte, hasste Montage, aber mich störten sie nicht. Ich fuhr gern früh ins Buttered Bun, heizte die riesige Teemaschine in der Ecke an, holte die Kisten mit Milch und Brot von hinten herein und plauderte ein bisschen mit Frank, bevor wir aufmachten.
    Ich mochte die leicht miefige, nach gebratenem Speck riechende Wärme des Cafés, den gelegentlichen Schwall kühler Luft, der hereinkam, wenn die Tür aufging, die leise dahinplätschernden Gespräche der Gäste und, wenn niemand da war, das blecherne Gedudel aus Franks Radio in der Ecke. Es war kein schickes Café. An den Wänden hingen Bilder von der Burg auf dem Hügel, wir hatten immer noch Resopaltische, und die Karte war noch dieselbe wie an meinem ersten Tag dort, abgesehen von ein paar Änderungen im Schokoriegel-Angebot und der Aufnahme von Brownies und Muffins in die Kuchentheke.
    Aber vor allem anderen gefiel mir die Kundschaft. Ich mochte Kev und Angelo, die Klempner, die beinahe jeden Vormittag kamen und Frank mit gutartigen Sticheleien über seine Kochkünste aufzogen. Ich mochte die Pusteblumen-Lady, die ihren Spitznamen von ihrem weißen Schopf hatte und die von Montag bis Donnerstag ein Spiegelei mit Pommes frites aß und bei zwei Tassen Tee die ausliegenden Tageszeitungen las. Ich achtete darauf, immer ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Ich hatte den Verdacht, dass die alte Dame sonst niemanden zum Reden hatte.
    Ich mochte auch die Touristen, die auf dem Weg zu und von der Burg bei uns Station machten, die kreischenden Schulkinder, die nach dem Unterricht vorbeikamen, die Stammgäste aus den Büros gegenüber und Nina und Cherie, die Friseurinnen, die den Kaloriengehalt jedes einzelnen Gerichts kannten, das im Buttered Bun angeboten wurde. Ich mochte sogar die nervigen Gäste, wie die rothaarige Frau, die den Spielwarenladen führte und mindestens einmal wöchentlich einen Streit wegen ihres Wechselgeldes anfing.
    Ich sah an diesen Cafétischen Beziehungen anfangen und zu Ende gehen, Kinder, die zwischen Scheidungspartnern wechselten, die schuldbewusste Erleichterung von Eltern, die nicht zu Hause kochen wollten, und das heimliche Vergnügen von Rentnern bei einem viel zu cholesterinhaltigen Frühstück. Die unterschiedlichsten Leute kamen zu uns, und die meisten redeten ein bisschen mit mir, erzählten sich über dampfenden Teebechern Witze oder kommentierten die Nachrichten. Dad sagte immer, man könne nie wissen, was ich als Nächstes zum Besten geben würde, aber im Café spielte das keine Rolle.
    Frank mochte mich. Er war eher der ruhige Typ und meinte, ich würde Leben ins Café bringen. Es war ein bisschen, als
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