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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall
Autoren: Ellis Peters
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sich frisch und ohne Zaudern an seine Arbeit machen.
    »Wenn Ihr erlaubt, will ich den jungen Mann selbst herumführen«, sagte Cadfael, während er den vollen Ranzen an seinem Gürtel nach vorn zog. »Ich habe die Arzneien mitgebracht, um die Ihr mich gebeten habt, und dazu einige, die ich für nötig hielt. Wir werden Euch schon finden, wenn wir fertig sind.«
    »Gibt es Neuigkeiten von Bruder Mark?« fragte Simon.
    »Mark ist bereits Diakon. Ich muß mir meine schrecklichste Beichte also nur noch ein paar Jahre aufsparen, und dann kann ich, wenn es von mir verlangt wird, in Frieden scheiden.«
    »Ein großes Versprechen«, sagte Simon verwundert und enthüllte unvermutete Tiefen, die er mit einem Lächeln sogleich wieder überbrückte. Er wagte sich nicht oft so weit vor.
    »Nun«, sagte Cadfael sehr nachdenklich, »für mich war Marks Wort immer gut genug. Ihr mögt recht haben.« Damit wandte er sich an Oswin, der den Wortwechsel mit pflichtschuldiger Aufmerksamkeit und verwirrtem Lächeln verfolgt hatte. Er mühte sich sehr, zu verstehen, was ihm wie eine Pusteblume entging. »Kommt nur, Bursche, laßt uns die Ranzen entladen und unsere Last loswerden, und dann will ich Euch alles zeigen, was hier in St. Giles vor sich geht.«
    Sie betraten den Saal, der all jenen zum Essen und Schlafen diente, die gesund genug waren, um mit ihren Kameraden zusammen zu sein. Dort stand ein großer, verschlossener Schrank, für den Cadfael einen eigenen Schlüssel besaß. Die Bretter waren voller Krüge, Flakons, Flaschen, Holzkisten mit Tabletten, Salben, Sirups und Lotionen, die allesamt aus Cadfaels Herbarium stammten. Die beiden packten ihre Ranzen aus und füllten die Lücken auf. Oswin wuchs sichtlich, als er in das Geheimnis eingeweiht wurde, das er in Zukunft selbständig hüten sollte.
    Hinter dem Hospiz lagen ein kleiner Küchengarten, ein Obstgarten und ein Kornspeicher. Cadfael führte seinen Schützling durch die ganze Enklave, und am Ende des Rundganges folgten ihnen drei Insassen dichtauf und neugierig: der alte Mann, der sich um den Kohl kümmerte und stolz seine Produkte vorzeigte, ein lahmer junger Bursche, der mühsam auf zwei Krücken humpelte, und der blinde Knabe, der Bruder Simon verlassen hatte und an Cadfaels Gürtel hing, seit er die vertraute Stimme erkannt hatte.
    »Dies hier ist Warin«, sagte Cadfael, indem er den Jungen an der Hand nahm. Sie gingen zu Bruder Simons kleinem Schreibtisch auf der Terrasse zurück. »Er hat beim Singen in der Kapelle eine gute Stimme, und er kennt die ganze Liturgie auswendig.«
    Bruder Simon erhob sich von seinen Rechnungen, als er sie zurückkommen sah. »Hat er Euch alles gezeigt? Dies ist kein großer Haushalt, doch tut er große Arbeit. Ihr werdet Euch bald an uns gewöhnen.«
    Oswin strahlte und sagte errötend, daß er sein Bestes geben wolle. Wahrscheinlich wartete er schon ungeduldig darauf, daß sein Lehrer sich verabschiedete, damit er sich seinen neuen Verantwortungen widmen konnte, ohne in der unangenehmen Lage eines Schülers zu sein, der sich vor seinem Lehrer produziert. Cadfael klopfte ihm fröhlich auf die Schulter, sagte Lebewohl und verriet mit seinem Tonfall, daß er keine Sorgen um den Erfolg seines Schützlings habe, und wandte sich zum Tor. Sie waren von der düsteren Terrasse ins Sonnenlicht getreten.
    »Ihr habt nicht etwa neue Nachrichten aus dem Süden?« Die Bewohner von St. Giles, die in ihrer am Stadtrand liegenden Behausung alle Neuigkeiten als erste erfuhren, waren meist gut unterrichtet.
    »Nichts Wichtiges. Trotzdem, man wundert sich und grübelt.
    Vor drei Tagen kam aus der Nähe von Andover ein Bettler, noch gut bei Kräften, aber schon älter, der nur über Nacht blieb, um zu rasten. Ein seltsamer Kerl war das, vielleicht hatte er Milben im Kopf, wer weiß? Es hat in seinem Kopf gespukt, und der Spuk trieb ihn auf die Straße. Eine Stimme in seinem Kopf hätte gesagt, daß er nach Norden gehen solle, solange noch Zeit dazu sei.«
    »In jener Gegend könnte jeder, der nicht durch Eigentum gebunden ist, sehr leicht auf die gleiche Idee kommen«, sagte Cadfael bekümmert, »dazu muß man nicht geistesschwach sein. Es mag sogar für die Gesundheit seines Geistes sprechen, wenn er nach Norden zog.«
    »Mag sein. Aber dieser Bursche hat gesagt - falls er es nicht geträumt hat -, daß er an dem Tage, an dem er aufgebrochen sei, von einem Hügel zurückgeblickt habe. Er habe Rauchwolken über Winchester gesehen, und in der folgenden Nacht
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