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Ein Earl kommt selten allein (German Edition)

Ein Earl kommt selten allein (German Edition)

Titel: Ein Earl kommt selten allein (German Edition)
Autoren: Lynsay Sands
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einsog und sich aufplusterte.
    Sie erkannte die Zeichen einer drohenden Explosion und nahm rasch seinen Arm, während sie versuchte, ihn wegzuziehen: »Wieso gehst du nicht und widmest dich deinem Frühstück, während ich mich um meine Schwestern kümmere?«
    Dicky rührte sich nicht. Er stand da wie angewurzelt, ignorierte ihr Ziehen und starrte Suzette finster an, die trotzig zurückblickte.
    Christiana schloss kurz die Augen und kämpfte gegen den Drang an, dem dummen Mädchen eine Ohrfeige zu geben. Oh ja, Suzette war ziemlich mutig, aber sie hatte in diesem Kampf auch wenig zu verlieren. Dicky konnte sie weder schlagen noch sonst wie bestrafen. Er würde seine Wut über Suzettes Mut an
ihr
auslassen … und zwar wahrscheinlich auf unterschiedliche Weise. Es würde ihm nicht reichen, ihr wegen ihrer ungebärdigen und ungehobelten Familie eine halbe Stunde lang Vorhaltungen zu machen, sie zu beschimpfen und anzuschreien. Höchstwahrscheinlich würde er außerdem behaupten, dass Suzette einen schlechten Einfluss auf sie ausübte, und ihr verbieten, sie wiederzusehen. Danach würde er weitere Bestrafungen folgen lassen – zum Beispiel würde er dafür sorgen, dass es nur noch etwas zu essen gab, das sie nicht mochte. Oder er würde sie aus dem einen oder anderen Grund frühmorgens wecken und dann entweder darauf bestehen, dass sie sich abends frühzeitig zurückzog, wenn sie es sich gerade mit einem guten Buch gemütlich gemacht hatte, oder verlangen, dass sie lange aufblieb, auch wenn sie erschöpft war.
    Obwohl Dicky sie in der letzten Zeit etwas in Ruhe gelassen hatte, würde er ihr vermutlich in den nächsten Tagen seine Gesellschaft aufzwingen und sich in Schimpftiraden über alles und jeden in London ergehen, die sie ganz sicher entmutigen und niederdrücken würden. Danach würde er darauf bestehen, dass sie mit ihm das Haus verließ, um ihm bei dem einen oder anderen Einkauf zu helfen, nur um zu verkünden, wie miserabel ihre Wahl war und als Beweis ihres schlechten Geschmacks etwas ganz anderes zu nehmen. Für sich betrachtet waren das alles geringfügige Bestrafungen, aber wenn sie zusammenkamen und länger andauerten, würde sie an einem solchen Leben voller kleiner Quälereien immer mehr verzweifeln.
    Und zu allem Überfluss würde Dicky alles an ihr kritisieren – wie sie aussah, was sie trug, wie sie sprach, wie sie sich benahm, wie naiv sie war, was für Freunde sie hatte oder dass sie keine hatte. Ein steter Strom von Missbilligung, der ihr langsam, aber sicher auch das letzte bisschen Selbstwertgefühl nahm, bis sie sich nur noch danach sehnte, all dem im Schlaf zu entkommen. Eine andere Rettung gab es für sie nicht. Selbstmord kam nicht infrage, ebenso wenig wie eine Scheidung.
    »Wo ist euer Vater?«, bellte Dicky plötzlich und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die aktuelle Angelegenheit. »Was ist das für ein Mann, der zulässt, dass sich zwei junge, unverheiratete Frauen ohne seine Begleitung in der Stadt herumtreiben?«
    »Sie treiben sich wohl kaum in der Stadt herum, wenn sie uns besuchen«, wandte Christiana rasch ein, um zu verhindern, dass Suzette etwas sagte. »Bitte, Gemahl, dein Frühstück wird kalt. Wieso gehst du nicht …«
    »
Unser
Frühstück«, berichtigte Dicky sie scharf und lächelte dann auf eine Weise, die sie innerlich aufseufzen ließ. Er hatte eine Möglichkeit gefunden, wie er sie bestrafen konnte. »Aber du hast recht. Es wird wirklich kalt, während wir unsere Zeit mit
ungeladenen
Gästen verschwenden.«
    Unversehens packte er Christianas Hand und zerrte sie durch die Eingangshalle. »Führe die Schwestern meiner Frau in den Salon, Haversham. Wir werden uns ihnen später widmen, wenn wir das Frühstück eingenommen haben, für das die Köchin so hart gearbeitet hat.«
    Christiana warf ihren Schwestern einen Blick zu, halb entschuldigend und halb warnend, dann stand sie schon im Frühstückszimmer, und Dicky schlug die Tür hinter ihnen zu.
    »Dein Vater sollte sich schämen, dass er drei derartig widerspenstige Kreaturen aufgezogen hat«, fauchte er, während er sie zur Anrichte mit den Speisen führte. »Ein kleines bisschen Disziplin hätte irgendwann nach langer Zeit bessere Frauen aus euch allen machen können. Aber er hatte wohl selbst keine Disziplin, wie?«
    Christiana schwieg. Sie nahm einfach nur einen Teller und fing an, ihn mit Speisen zu befüllen. Sie hatte schon vor langer Zeit die Erfahrung gemacht, dass seine Schimpftiraden nur noch schlimmer
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