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Ein Drama am Ufer des Meeres (German Edition)

Ein Drama am Ufer des Meeres (German Edition)

Titel: Ein Drama am Ufer des Meeres (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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seinen Vater genug, um zu wissen, daß er ihn nicht ohne Beichte töten würde. ›Danke sehr, mein Herr, entschuldigen Sie uns‹, sagte Cambremer zu dem Priester, als er den Starrsinn Jacques sah. ›Ich wollte meinem Sohn eine Lektion erteilen, und wollte Sie bitten, darüber nicht zu sprechen. Du‹, sagte er zu Jacques, ›wenn du dich nicht besserst, dann mache ich ohne Beichte ein Ende mit dir.‹ Er schickte ihn zu Bett. Das Kind glaubte ihm und bildete sich ein, daß es sich mit seinem Vater wieder aussöhnen könne. Er schlief ein. Der Vater blieb auf. Als er sah, daß sein Sohn in tiefstem Schlafe lag, bedeckte er ihm den Mund mit Hanf, band ihn mit einem Stück Schleier fest zu; dann fesselte er ihm die Hände und Füße. Er raste, er schwitzte Blut, wie Cambremer dem Gerichtsbeamten später gesagt hat. Was soll ich Ihnen sagen? Die Mutter warf sich dem Vater zu Füßen. – ›Er ist gerichtet,‹ sprach er, ›du wirst mir ihn in die Barke bringen helfen.‹ Sie weigerte sich. Cambremer brachte ihn allein hinein, warf ihn auf den Boden, band ihm einen Stein um den Hals, dann verließ er die Bucht, ging auf die See hinaus und kam zur Höhe des Felsens, wo er sich jetzt aufhält. Als dann die gute Mutter sich hierher von ihrem Schwager hatte bringen lassen, da hatte sie gut um Gnade rufen! Das war so viel, als wenn man mit einem Stein nach einem Wolf wirft. Es war Mondschein, sie hat es gesehen, wie der Vater ihr Herzenskind ins Meer warf, und da kein Lüftchen wehte, hat sie es aufklatschen hören. Dann Stille, keine Welle, keine Furche; das Meer wacht gut! Cambremer ging an Land, um seine wimmernde Frau zum Schweigen zu bringen, er fand sie wie tot, es war den beiden Brüdern unmöglich, sie zu tragen, man mußte sie in die Barke bringen, die soeben den Sohn getragen hatte, und dann fuhren sie sie über le Croisic nach Hause. Ah, ja! Die schöne Brouin, wie man sie nannte, hat keine acht Tage mehr gemacht; als sie im Sterben lag, bat sie ihren Mann, die verfluchte Barke zu verbrennen. Er hat es getan. Und er, er ist ganz wirr geworden, er wußte nicht mehr, was er wollte; er schwankte beim Gehen wie ein Mann, der keinen Wein vertragen kann. Dann hat er eine Reise von zehn Tagen gemacht und ist heimgekehrt zu jenem Platze, wo Sie ihn gesehen haben, und seitdem er dort ist, hat er kein Wort gesprochen.«
    Der Fischer hatte nur ein paar Augenblicke gebraucht, um uns diese Geschichte zu erzählen, und er hat sie noch viel einfacher gesagt, als ich sie niedergeschrieben habe. Die Leute aus dem Volke überlegen wenig, wenn sie etwas erzählen; sie nennen das Ding beim Namen, das auf sie Eindruck gemacht hat, und geben es so wieder, wie sie es empfinden.
    »Ich gehe nicht mehr nach Batz«, sagte Pauline, als wir den oberen Rand des Sees erreicht hatten. Wir kehrten über die Salzteiche nach le Croisic zurück, durch das Labyrinth hindurch, aus dem uns der Fischer hinausführte, der selbst schweigsam wie wir geworden war. Unsere Seelenverfassung hatte sich gewandelt. Wir waren alle beide in finstre Gedanken versunken, erschüttert von diesem Drama, welches die plötzliche Ahnung erklärte, die uns beim Anblick Cambremers befallen hatte. Wir wußten die eine wie der andere genügend von der Welt, um von diesem Leben zu dritt alles zu erraten, was uns unser Führer davon verschwiegen hatte. Das Unglück dieser drei Wesen hellte sich uns vor Augen, als wenn wir sie in den Szenen eines Dramas gesehen hätten, das dieser Vater durch die Sühne seines notgedrungenen Verbrechens krönte. Wir wagten nicht zu dem Felsen zurückzublicken, wo sich der unglückliche Mensch befand, der einem ganzen Lande Furcht einflößte. Wolken verhüllten den Himmel; am Horizont stieg Dampf empor, wir gingen inmitten der allerdüstersten Natur, die ich jemals angetroffen habe. Wir schritten durch eine Landschaft, die leidend, krankhaft erschien; Salzsümpfe, die man mit vollem Recht die Skrofeln der Erde nennen könnte. Dort ist der Boden in ungleiche Vierecke eingeteilt, die alle von gewaltigen Böschungen aus grauer Erde eingerahmt werden, und die mit einem brackigen Wasser angefüllt sind, auf dessen Oberfläche das Salz erscheint. Diese Schluchten, von Menschenhand hergerichtet, sind innen in Streifen eingeteilt, längs deren mit langen Rechen ausgerüstete Arbeiter schreiten, um damit diese Salzlake abzuschäumen und das Salz, wenn es zu Haufen geschüttet werden kann, auf runde Schwellen zu bringen, die in Abständen angebracht
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