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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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attraktivem Äußeren und der eindeutigen Tendenz zur Verfettung.
    Zudem war er ein ewiger Student, der immer noch nicht die richtige Orientierung in seinem Leben gefunden hatte. Weder auf beruflicher noch auf persönlicher Ebene.
    Sie verübelte es ihm nicht, denn auch sie hatte einige schmerzhafte Umwege in Kauf nehmen müssen, bis sie in der Werbeagentur einer Freundin einen Job als freie Gestalterin gefunden hatte, der einigermaßen auskömmlich war. Er ermöglichte ihr zumindest ein weitgehend selbstbestimmtes Leben.
    Ihr Bruder neidete ihr diese Unabhängigkeit, denn er hing mit Anfang Dreißig immer noch am Tropf der Eltern, und das machte ihn unzufrieden und oft bei Kleinigkeiten unnötig reizbar und aggressiv. So auch in dieser Sache.
    „Sag mal, spinnst du jetzt total?“, hatte er auf ihre Vorhaltung reagiert. „Was hat Großvaters Uhr mit seiner Asche und diesem sentimentalen Letzten Willen von ihm zu tun?“

    Jürgen Lindberg, der Vater der streitenden Geschwister, begann allmählich die Geduld zu verlieren und hatte sich schließlich auch in die Auseinandersetzung eingemischt, die das erste gemeinsame Abendessen seit langem so unschön trübte. Was er nach einem anstrengenden Tag in der Kanzlei nicht zu tolerieren bereit war.
    Obwohl er in diesem Jahr seinen siebzigsten Geburtstag feiern würde, wirkte er immer noch als Seniorpartner in seiner Anwaltssozietät und schätzte es nicht, wenn es auch noch am Abend Ärger und Stress gab.
    Dass die Kinder Yannik und Yuna zur Beerdigung anreisen würden, hatte er erwartet und ebenso, dass sie ihre ehemaligen Jugendzimmer beziehen würden. Das war schließlich gerne gepflegte Gewohnheit, wenn sie ihrem Elternhaus einen, der mittlerweile seltener gewordenen, Besuche abstatteten. Darauf bestand auch seine Frau, welche die Kinder sofort bemutterte. Er selber freute sich normalerweise natürlich ebenfalls darüber, aber nicht, wenn damit endlose Debatten nach Feierabend und Streit verbunden waren. Damit musste er sich den ganzen Tag über herumschlagen und hatte es abends darum gerne entspannter.
    „Die Diskussion ist beendet, Yuna“, sah er sich also gezwungen, ein Machtwort zu sprechen. „Die Urne meines Vaters wird neben der meiner Mutter in der Familiengrabstätte beigesetzt. Die Gebühren sind bezahlt, das Cembalo-Orchester und die Sängerin für die Trauerfeier sind bestellt und die Beerdigung ist für Samstag um 11.30 Uhr angesetzt. Es gibt keinen Grund, das nun alles wieder umzuwerfen. Nur weil dir eingefallen ist, dass mein Vater vielleicht lieber in der Bretagne beerdigt wäre.“
    „Aber er wollte keine von diesen 08/15 Beerdigungen, mit Trauerrede und jammernden Hinterbliebenen an seinem Grab und schon gar nicht so ein Promibegräbnis mit Aufgalopp von Presse und Medien, wie es Juliette nun mit Mama plant. Ihr solltet das respektieren…“
    Monika Lindberg war etwas blass geworden, denn Yunas erbitterter Widerstand irritierte sie nun doch, also versuchte sie auszugleichen und meinte besänftigend:
    „Ich weiß ja, dass Opa diesen Wunsch gelegentlich geäußert hat, Yuna, aber wir alle wissen doch auch, dass Menschen, die ein so hohes Alter erreichen, mitunter etwas… nun sagen wir… wunderlich werden… sie fordern Dinge, die sie so gar nicht meinen… Opa wollte nie anderen Menschen zur Last fallen, geschweige denn ihnen Schwierigkeiten machen… schon gar nicht seiner eigenen Familie… er kann das nicht gemeint haben…“
    Und ihr Mann ergänzte: „Ich wette, er hat diesen Letzten Willen später selber nicht mehr ernst genommen. Er hat sich doch bei Juliette so wohl gefühlt, und dass er mit ihr nun sogar in Deutschland eine Galerie aufgemacht hat, zeigt für mich seine starke Heimatverbundenheit.“
    Er räusperte sich. „Dass ihn gerade hier der Tod ereilte ist doch sicherlich eine schicksalhafte Fügung.“
    Nun er nicht auch noch, dachte Yuna und ärgerte sich, wie leicht ihren Eltern plötzlich sonst eher verpönte Begriffe, wie Heimat, Schicksal und Fügung, über die Lippen kamen. Fehlte nur noch, dass einer von Vorsehung im Zusammenhang mit Opas Tod sprach! Besonders dieses plötzliche Gerede von Heimat in ihrer Familie, ging ihr auf die Nerven, weil ihr Großvater sich immer als Weltbürger verstanden hatte und alles andere als ein Mensch war, der an seiner deutschen Heimaterde klebte.
    Die Argumentation ihrer Eltern schien ihr also völlig an den Haaren herbeigezogen und lediglich der eigenen Bequemlichkeit zu dienen.
    Sie
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