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Ein bretonisches Erbe

Ein bretonisches Erbe

Titel: Ein bretonisches Erbe
Autoren: Valerie Menton
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er es anders gewollt hätte, wäre Großvater in seinem Alter doch sicherlich in der Bretagne geblieben. Ist er aber nicht und so hat ihn der Tod in der Heimat ereilt und ich sehe keinen Grund, ihn nicht auch hier zu beerdigen.“
    Monika Lindberg war eine schlanke, sportliche Frau, in den späten Fünfzigern, mit halblangem, modischen Haarschnitt und einem Sinn für Stil und Lebensart. Sie war Inhaberin einer Universitätsdozentur für Europäische Geschichte und würde dem Vater ihres Mannes natürlich ein wundervolles Begräbnis organisieren, so wie es eines berühmten Künstlers würdig war. Und darum hatte sie mit seiner zweiten Frau Juliette die Beerdigung in der Familiengruft der Lindbergs bereits beschlossen, ehe Yuna überhaupt mitbekam, dass ihr Großvater gestorben war.

    Yuna hatte sofort dagegen protestiert, als sie zum ersten Mal davon gehört hatte, denn sie konnte sich Großvater Pierre, der immer die Freiheit über alles gesetzt hatte, einfach nicht in so einem ummauerten Totengefängnis vorstellen.
    „Es ist Opas Wunsch, dass seine Asche in der Bucht der Verstorbenen, der Baie des Tréspassés, in der Bretagne beigesetzt wird“, hatte sie ihre Eltern erinnert. „Er hat das immer so gewollt und ich kann nicht verstehen, warum keiner in dieser Familie das respektiert!“
    Es hatte eine endlose Diskussion im engen Familienkreis gegeben und schließlich war sie laut geworden, denn es ärgerte sie zutiefst, wie nachlässig ihre Familie mit dem Letzten Willen ihres Großvaters umging. Dabei war der doch seit Jahren bekannt und nie hatte jemand etwas dagegen gesagt. Wie unfair war es, nun, nachdem er tot war und nicht mehr für sich selber sprechen konnte, deswegen sogar seine Zurechnungsfähigkeit anzuzweifeln. Ja, er hatte ein begnadetes Alter erreicht, aber obwohl er zuletzt körperlich zusehends verfiel, war sein Geist immer noch klar und seine Gedankenschärfe brillant. Yuna empfand es geradezu als verleumderisch, dass seine Witwe Juliette Zweifel an seinem Verstand geäußert hatte. Nur um die Beerdigung in Deutschland durchzusetzen.
    Aber sie hat ihn ohnehin nie verstanden, dachte Yuna und drückte den Gasgriff unwillkürlich fester, was die Maschine in ziemlich halsbrecherischem Tempo durch die kurvige Autobahnauffahrt katapultierte. Sich ihrer kostbaren Fracht bewusst werdend, verlangsamte sie das Tempo jedoch sogleich wieder und fädelte sich etwas behutsamer zwischen den nächtlichen Lastwagen auf die Autobahn ein.
    Ein kleines Stück klebte sie in verhaltener Ungeduld hinter einem Laster, dann scherte sie auf die Mittelspur aus und setzte sich nach der nächsten Ausfahrt von dieser lahmen Truppe ab. Schließlich zog sie an einem Schwertransport vorbei, hinter dem eine lange Lastwagenschlange aufgelaufen war, und von da an hatte sie weitgehend freie Fahrt.
    Der Lichtfinger ihres starken Scheinwerfers tastete weit voraus und das Herz der Urnendiebin begann nun auch wieder ruhiger zu schlagen. Sie beschloss die Route über Saarbrücken zu nehmen. Die kannte sie noch von den jährlichen Sommerfahrten mit der Familie in die Bretagne.
    Bis ihr Großvater für alle sehr überraschend in hohem Alter zum zweiten Mal heiratete, hatten sie dort stets die Sommerferien bei ihm in seinem Haus verbracht. Die Bretagne und er, waren für Yuna immer eins gewesen, untrennbar verbunden in ihren Gedanken und Erinnerungen, und so war es für sie nur natürlich, dass er nach seinem Tod in den Wogen seines geliebten bretonischen Meeres davon treiben wollte, um in der grenzenlosen Freiheit des Ozeans auch seine eigene letzte Freiheit zu finden.

    „Was, bitte schön, ist daran nicht in Ordnung?“, hatte Yuna darum auch aufgebracht gefragt und war ihren Bruder Yannik dabei scharf angegangen, weil sie sich von ihm deutlich mehr Unterstützung erhofft hatte.
    „Die goldene Uhr von Opa, die er dir vermacht hat, hast du ja auch genommen, ohne ihn für verrückt zu erklären. Einem wie dir so etwas Kostbares zu vererben, könnte doch viel eher Fragen bezüglich seiner Zurechnungsfähigkeit aufwerfen.“
    Yannik, ohnehin der Hitzkopf in der Famlie, war sofort aufgebraust und seine eher blasse Gesichtsfarbe hatte sich rötlich verfärbt.
    Yuna war aufgefallen, dass er zugenommen hatte und seine Züge dadurch weichlich wirkten. Noch immer hatte er keine feste Freundin und würde, wenn er nicht ein bisschen mehr auf sich achtete, wohl auch so leicht keine finden. Eigentlich war er ein netter Kerl, aber mit wenig
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