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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Autoren: Marliese Arold
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vornehm.
    Deacon krallte sich an ihrer Schulter fest und spreizte seine kräftigen schwarzen Federn, als die beiden sich die Dark Street hinauf, in Richtung Pendulum Haus in Bewegung setzten. Pferdekutschen rumpelten die breite Straße hinauf und hinunter, und auf den Gehsteigen drängten sich Fußgänger, die allesamt in Eile schienen und kaum Notiz nahmen von dem kleinen Mädchen mit den abgehackten Haaren und dem Raben auf der Schulter. Natürlich wussten die meisten, wer sie war. Schließlich war sie die Nichte des Zauberers. Sein Lehrmädchen. Vor allem jedoch war sie bekannt als sogenannte natürliche Magierin: eine Laune der Natur, so selten, wie sie vielleicht nur einmal in jedem Jahrhundert vorkam.
     
    »Du bist etwas ganz Besonderes, Oona«, hatte der Zauberer ihr vor fast fünf Jahren, am ersten Tag ihrer Ausbildung, gesagt. Ein paar Monate nach ihrem achten Geburtstag hatte sie dem graubärtigen Mann, dem älteren Bruder ihres Vaters, den sie so sehr verehrte, gebannt zugehört. »Ich selbst bin ein sogenannter gelernter Magier. Wie fast alle Magier, die es jemals gegeben hat. Ich musste mir die Magie durch jahrzehntelanges hartes Studium und Training aneignen. Jemand wie ich muss die Magie zwingen, seinen Willen auszuführen. Aber ein natürlicher Magier so wie du, Oona, ist ein Mensch, der mit den außergewöhnlichen magischen Kräften der Feen geboren wird. Niemand weiß genau warum. Manche Leute glauben, dass natürliche Magier Feenblut in den Adern haben, aber soweit ich weiß, ist das nur ein Gerücht. Anders als Feen, die mit den Instinkten und dem Wissen geboren werden, ihre atemberaubende Magie zu kontrollieren, müssen natürliche Magier lernen, mit ihren Kräften umzugehen. Sie müssen geschult werden. Du musst sehr viel üben.«
    Und Oona hatte geübt. Fast zwei Jahre lang hatte der Zauberer sie ausgebildet. Sie wohnte mit ihm in dem großen Pendulum Haus, assistierte ihm, nahm so viel auf, wie sie konnte, schulte ihre Fähigkeiten, damit sie eines Tages die nächste große Zauberin werden würde. Dies war der Titel für den obersten Meister aller magischen Aktivitäten der Dark Street und den Beschützer der Menschenwelt.
    »Was bringt es, dass man der Herr aller magischen Aktivitäten ist«, hatte Oona den Zauberer einmal gefragt, »wenn niemand in der Dark Street Magie ausübt? Es gibt keine Zauberer mehr, Onkel, bis auf dich und mich. In der Encyclopedia Arcanna habe ich gelesen, dass hier früher Tausende von gelernten Magiern ihre Zauber wirkten, sowohl in der Dark Street, als auch in der Welt der Menschen.«
    Der Zauberer nickte. »Ja, aber das war vor fast fünfhundert Jahren. Am Ende des großen Feenkriegs – nachdem Oswald der Große die gläsernen Tore geschlossen hatte, wodurch die Dark Street vom Feenland abgeschnitten wurde – begann die Magie schwächer zu werden. Schließlich verloren die Leute das Interesse an den alten Gepflogenheiten, wie es so schön heißt, und die Welt entwickelte sich weiter. Du hast recht, Oona, wenn du sagst, dass das Interesse an Magie so gering ist wie nie zuvor. Manche würden Magie sogar als nutzlos bezeichnen. Aber es gibt immer noch einige, die ein paar Zaubersprüche in den Büchern entdecken und ausprobieren. Außerdem befinden sich hier immer noch zahllose magische Objekte, viele davon sind Feenstreiche, die vor fünfhundert Jahren zurückgelassen wurden. Es ist die Aufgabe des Zauberers, sich um solche Vorfälle zu kümmern, wenn sie auftreten, und natürlich auch die Welt der Menschen zu schützen, falls die gläsernen Tore jemals zerbrechen und das Feenland sich wieder öffnen sollte. Wir erfüllen eine wichtige Aufgabe, indem wir die Magie am Leben erhalten. Verstehst du das?«
    An jenem Tag, der nun eine Ewigkeit zurückzuliegen schien, hatte Oona genickt und ihre Zustimmung kundgetan. Aber das sollte sich alles ändern. Es änderte sich anderthalb Jahre später, just an ihrem zehnten Geburtstag, als sie die grausame Wahrheit erkannte, dass man der Magie nicht trauen konnte.
     
    Oona hielt inne, um einen der berühmten Kerzenbäume der Dark Street zu inspizieren. Als einzigartige Kuriosität säumten die Bäume die Ladenzeile der Straße wie lebendige Laternen, deren Flammen selbst jetzt im hellen Tageslicht schwach vor sich hin flackerten. Zwischen zwei Ästen erfüllte eine dicke kleine Spinne unermüdlich ihr Tagwerk in der morgendlichen Brise. Oona langte in eine ihrer vielen Taschen. Ihr Kleid mochte vielleicht nicht der
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