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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Autoren: Marliese Arold
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Ort voller alltäglicher Leute, die ihr alltägliches Leben lebten – ein Leben mit einfachen Freuden und Betrügereien. Als Erstes würde ihm vielleicht auffallen, dass die Mehrheit der Dark-Street-Bewohner ihre Gespräche in unterschiedlichen britischen Dialekten führten, statt amerikanisch zu sprechen, und dass einige der Einheimischen die Straße als Little London Town bezeichneten. Dann würde ein Besucher bemerken, dass einerlei, welche Jahreszeit in New York herrschte, ob klirrende Kälte oder sengende Sommerhitze, die Temperaturen in der Dark Street luftig und mild waren, und man meist mit einer leichten Jacke oder einem Umschlagtuch auskam. Oder es goss in Strömen, während es in New York vor Trockenheit nur so staubte. Und das waren längst nicht alle Eigentümlichkeiten, denn bei näherer Betrachtung stellten Außenstehende fest, dass hier die Schatten ein wenig dunkler wirkten und man es vermied, auf sie zu treten, damit man nicht hineingezogen wurde. Sie würden eine Welt entdecken, in der das Blau des Himmels tagsüber fast violett schien, und die Sterne nachts so hell leuchteten, dass man bei ihrem Licht lesen konnte. Es war ein Ort, so alt wie der Wind, wo Kerzenbäume als Straßenlaternen dienten, und wo die Straßenuhren nicht nur die Uhrzeit anzeigten, sondern auch Witze erzählten.
    Doch noch eindrucksvoller als die Entdeckung neuer verzauberter Dinge war für den einfühlsamen Besucher der unterschwellige Eindruck verloren gegangener Magie – eine Straße, die mehr Magie vergessen hatte als Regentropfen auf die Erde gefallen waren. Es war eine uralte Straße aus einer Zeit vor der Zeit. Vor der Errichtung der eisernen und gläsernen Tore, vor dem Bau des Pendulum Hauses, vor der Ernennung des ersten Zauberers, und sogar noch vor dem Kampf der Magier des Altertums gegen die Armeen der mächtigen Feenkönigin hatte es die Dark Street schon gegeben. In irgendeiner Form war sie immer da gewesen, eine Brücke zwischen der fantastischen und der gewöhnlichen Welt, zwischen Magie und Vernunft, zwischen dem Land der Feen und der Stadt, die niemals schläft.
    Oona richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Schaufenster des Zauberladens und studierte ihr Spiegelbild auf der unebenen Glasfläche. Der Blick ihrer großen grünen Augen mit den dichten, geschwungenen Wimpern fiel auf ihr herzförmiges Gesicht und das graue, in der Taille gekrauste Kleid mit dem weiten Tellerrock. Ihr Onkel hatte recht. Was hatte sie, ein zierliches, ein Meter dreißig großes Mädchen, sich nur dabei gedacht, einen heimtückischen Irren wie Igregious Goodfellow, der den Schmuckladen der Horton Familie ausgeraubt hatte, zu verfolgen? Mit ihren zwölf Jahren war sie für die Dark-Street-Gesellschaft noch ein Kind, obwohl sie schon in drei Monaten Geburtstag hatte. Dreizehn war ein besonderes Alter für ein Mädchen, das in der Dark Street wohnte. In diesem Alter wurde sie eine junge Dame und viele Mädchen besuchten dann die Akademie für feine junge Ladys , eine Aussicht, die für Oona nichts Verlockendes hatte. Sie zog es vor, ihre unabhängigen Studien mit Deacon fortzuführen. In ihren Augen gab es in der Dark Street keinen besseren Lehrer als ihn.
    Wie immer bekam sie beim Gedanken an ihren Geburtstag Schuldgefühle, eine Welle der Traurigkeit schien das Tageslicht zu trüben und die sanfte Brise in einen kühlen Windstoß zu verwandeln. Wie ein Geist schwebte die Erinnerung an das wunderschöne Gesicht ihrer Mutter durch ihre Gedanken – an jene großen grünen Augen, die Oonas Augen so ähnlich waren, an das fröhliche, strahlende Lächeln, das wie ein Sonnenstrahl war. Und ein anderes Gesicht tauchte vor Oonas innerem Auge auf, das von ihrer kleinen Schwester, die noch nicht einmal laufen konnte und auf dem Arm ihrer Mutter die kleinen Händchen zusammenklatschte. Das Bild hatte sich in Oonas Gedächtnis eingebrannt wie eine klaffende Narbe: ihre Mutter und das Baby unter einem riesigen Feigenbaum, dessen Blätter im Wind raschelten, während Zauberlichter um sie herumtanzten, schneller und schneller, und dann …
    Hastig schob Oona den Gedanken beiseite. Sie schluckte den Kloß im Hals herunter und warf die Hände hoch. »Ich ziehe Wissenschaft vor, Deacon! Keine Zaubersprüche und Zauberstäbe oder magische Ringe. Ich will Fakten. Logik. Her mit verzwickten Rätseln … komplizierten Fragestellungen. Das ist etwas für mich.«
    Ihr Tonfall war sehr ernst und ihr London-Town -Akzent wirkte gebildet und
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