Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition)
Autoren: Gabrielle Zevin
Vom Netzwerk:
einen Kuss auf die Wange. »Werd nicht wieder so düster, Gable! Bleib bei Anya und mir, lass uns dein Sonnenschein sein!«
    Gable lachte über Scarlets Bemerkung, dann küsste er sie ebenfalls, und sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er grinste. Anschließend führte sie ihn hinüber zu dem kleinen Sofa, auf dem beide Platz nahmen.
OMG ,
wie Nana gesagt hätte,
vielleicht sind Scarlet und Gable wirklich verliebt!
Einen kurzen Moment lang war ich fast neidisch auf sie, auch wenn ich nicht mehr mit Gable zusammen sein wollte – auf gar keinen Fall! Doch nach allem, was Scarlet für meine Familie getan hatte, konnte ich ihr keinen Freund missgönnen. Die schlichte Wahrheit lautete: Mir fehlte es, zu jemandem zu gehören.
    Ich rollte mich auf dem vertrauten bordeauxroten Sessel zusammen.
    »Jetzt mal ehrlich, Gable«, sagte ich. »Du siehst erstaunlich gut aus.«
    »Dafür siehst du schrecklich aus«, gab er zurück.
    »Gable!«, mahnte Scarlet.
    »Was ist? Sie sieht aus wie ein kleiner Junge oder wie ein Marathonläufer. Haben die dir da nichts zu essen gegeben?«, fuhr er fort. »Und dein Haar sieht echt gruselig aus.«
    Tatsächlich war mein Haar ziemlich zerzaust und verfilzt. In Liberty hatte es weder Haarkur noch Spülung, geschweige denn eine vernünftige Bürste gegeben. Sobald Gable und Scarlet gegangen wären, würde ich mich um das Problem kümmern.
    »Wie läuft’s in Trinity?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln. Gable hatte das Abschlussjahr wiederholen müssen, weil er so viel Unterrichtsstoff verpasst hatte.
    »Langweilig, seitdem du nicht mehr da bist«, sagte er achselzuckend. »Seit Monaten wurde niemand mehr angeschossen oder vergiftet.«
    Einer von Gables Vorzügen war sein Humor.
    »Gable Arsley«, sagte Scarlet mit gerunzelter Stirn, »du bist wirklich gemein, und ich bedaure jetzt schon, dass ich dich heute überhaupt mitgenommen habe.«
    »Entschuldigung, Anya, falls ich dich beleidigt habe.«
    Ich sagte ihm, das sei nicht der Fall, ich sei momentan nur sehr schwer zu beleidigen.
    Scarlet erhob sich. »Wir gehen jetzt besser. Wir mussten Imogen versprechen, dass wir nicht zu lange bleiben.« Sie reichte Gable die Hand, und er kam leicht unsicher auf die Beine. In dem Moment fiel mir der kaputte Aufzug ein. Nur mit Mühe konnte Gable das Wohnzimmer durchqueren. Niemals würde er es auf Krücken dreizehn Treppen hinunter schaffen.
    Nach Rücksprache mit Imogen, die beim Hausmeister nachhakte, war klar, dass der Fahrstuhl nicht vor dem nächsten Morgen repariert werden würde. Gable würde bei mir übernachten müssen, eine Lösung, die mich nicht gerade in Entzücken versetzte. Wenn Gable hierblieb, würden Scarlets Eltern ihrer Tochter nicht erlauben, bei mir zu schlafen, und als Gable Arsley das letzte Mal beinahe die Nacht in meiner Wohnung verbracht hatte, war das nicht gut ausgegangen.
    Ich entschied, dass er auf der Couch schlafen musste. In Leos altem Zimmer wollte ich ihn nicht haben.
    Nachdem das alles geklärt war, konnte ich mich endlich in mein Zimmer zurückziehen. Eigentlich wollte ich mich noch frisch machen, doch ich schlief sofort auf dem Bett ein. Als ich erwachte, war es zwei Uhr morgens. Es war still in der Wohnung. Ich schlüpfte aus meinem Zimmer und ging durch den Flur zur Dusche.
    Mir war egal, wie viel der Wasserverbrauch inzwischen kostete. Ich hatte das Gefühl, drei- bis viermal Duschen verdient zu haben. Meinem Haar ließ ich natürlich besondere Pflege zukommen. Kurspülung – was für ein hässliches Wort für eine so herrliche Sache!
    Nach dem Duschen entwirrte ich mein Haar und pflegte es entsprechend. Als ich in den Spiegel schaute, war ich der Meinung, wieder halbwegs normal auszusehen. Ich wickelte mich in mein geblümtes Badetuch und ging zurück zu meinem Zimmer.
    Dort brannte Licht. Ich wusste nicht mehr, ob ich es vergessen hatte auszuschalten.
    Als ich die Tür öffnete, saß Gable neben meinem Bett auf einem Stuhl. Er trug Leos Schlafanzug, den Imogen ihm gegeben haben musste, die Krücken hatte er gegen die Kommode gelehnt.
    »Arsley«, sagte ich und achtete darauf, dass ich mir das Badetuch fest unter die Achseln klemmte. »Du hast hier nichts zu suchen.«
    »Ach, Anya, stell dich doch nicht so an!«, gab er zurück. »Ich habe gehört, dass du wach bist, ich war selbst wach, da dachte ich, ich könnte dir Gesellschaft leisten.«
    »Ich will keine Gesellschaft, wenn ich aus der Dusche komme, Arsley.«
    »Ich … ich versuche es nicht bei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher