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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition)
Autoren: Gabrielle Zevin
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überlegen, ob wir warten, bis das Kind da ist«, sagte Gable.
    Scarlet schüttelte den Kopf. »Ich könnte nicht ohne dich heiraten, Anya.«
    »Dieser Laden ist ja der Wahnsinn«, meinte Gable. »Was hast du hier überhaupt vor?«
    »Das werdet ihr früh genug erfahren«, sagte ich. »He, Gable, willst du heute Abend keine Fotos machen?«
    Er knurrte, Scarlet hätte ihm sein Fotohandy abgenommen. »Wo ist dein Freund?«, wollte er wissen. 
    Ich tat, als hätte ich ihn nicht verstanden, und ging zu den anderen Gästen.
    Als so gut wie alle eingetroffen waren, begab ich mich zum Podium im vorderen Teil des Raums. Ich schaute mich um, ob Win zufällig aufgetaucht war. War er nicht. Ohne ihn, Natty und Leo fühlte ich mich etwas weniger geerdet, sicherlich hielt ich nicht die beste Rede meines Lebens. In Stichpunkten stellte ich den Club vor, den ich eröffnen wollte, erklärte, was ich dort servieren würde und dass alles eine einwandfreie rechtliche Grundlage habe. Als ich die Geschäftsidee beschrieb, spürte ich, dass es totenstill im Raum wurde, doch dieses Schweigen machte mir keine Angst. »Heute Abend sind die medizinischen Heilgetränke, die ich dann im Herbst anbieten werde, mit Johannisbrotpulver zubereitet. Mit Kakaopulver wird es noch viel besser schmecken, versprochen.« Ich hob meine Tasse, hatte aber nicht daran gedacht, sie vor meiner Rede zu füllen. Weil es sonst seltsam gewesen wäre, tat ich so, als würde ich trinken. »Mir hat mal jemand gesagt, der Feind des letzten Jahres könne sehr wohl der Freund des nächsten Jahres werden, deshalb möchte ich euch ohne große Umschweife meinen neuen rechtlichen Beistand vorstellen.«
    Charles Delacroix kam aufs Podium. Für den heutigen Tag hatte er sich rasiert, eine Geste, die ich zu schätzen wusste. »Verzeihen Sie mir, wenn ich ein bisschen eingerostet bin. Ich bin außer Übung«, begann er mit einem demonstrativ bescheidenen Schmunzeln. »Vor acht Monaten war meine Karriere in der Politik – dafür gibt es kein beschönigendes Wort – am Ende. Die Gründe dafür brauchen wir nicht näher zu beleuchten …« Er warf mir einen Blick zu, über den die Gäste lachen mussten. »Doch heute bin ich hier, um über die Zukunft zu sprechen.« Er räusperte sich. »Schokolade«, begann er. »Schokolade ist süß. Sie ist durchaus wohltuend. Doch sie ist es nicht wert, für sie zu sterben, und sie ist es sicherlich auch nicht wert, für sie eine Wahl zu verlieren. Nun, aus offensichtlichen Gründen« – wieder sah er mich an – »habe ich im vergangenen Jahr viel Zeit gehabt, über Schokolade nachzudenken, und jetzt glaube ich zu wissen, warum sie wichtig ist. Nicht weil ich verloren habe oder weil das organisierte Verbrechen schlecht ist. Schokolade ist wichtig, weil eine Regierung, die Schokolade verbietet, eine schlechte Regierung ist und immer schon war.
    Wie wird aus einer im Niedergang begriffenen Stadt eine Stadt von morgen? Das ist eine Frage, die ich mir in den letzten zehn Jahren fast jeden Tag gestellt habe. Und ich bin dabei auf folgende Antwort gekommen: Wir müssen die Gesetze überdenken. Gesetze verändern sich, weil die Bürger Änderungen fordern oder weil sie neue Möglichkeiten finden, alte Gesetze auszulegen. Meine Freundin Anya Balanchine, und ich denke, ich darf sie so nennen, hat sich einen neuartigen Weg für beides einfallen lassen.
    Ladies und Gentlemen, Sie erleben hier die Eröffnung von mehr als nur einem Club. Ich sehe eine Zukunft, in der New York City wieder eine funkelnde Stadt ist, eine Stadt mit Gesetzen, die sinnvoll sind. Ich sehe eine Zukunft, in der Menschen wegen der Schokolade nach New York kommen, weil es die einzige Stadt des Landes ist, die den Verstand hatte, das Verbot aufzuheben. Ich sehe einen wirtschaftlichen Profit für diese Stadt, für diese Stadt der Schokolade.« Er hielt kurz inne. »Selbst wenn wir nicht zu Volksvertretern gewählt werden, können wir andere Möglichkeiten finden, dem Land zu dienen. Daran glaube ich ganz fest, und deshalb habe ich mich bereit erklärt, Anya Balanchine auf jede erdenkliche Weise zu unterstützen. Ich hoffe, dass ihr, meine Freunde, dabei mitmacht.«
    Die Rede war deutlich besser als meine, auch wenn festgehalten werden sollte, dass Charles Delacroix in dieser Frage wesentlich mehr Übung hatte als ich. Auch sollte klar sein, dass die Ziele meines Geschäftspartners etwas erhabener waren als meine. Mir gegenüber hatte er nie von einer »Stadt der Schokolade«
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