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Edelherb: Roman (German Edition)

Edelherb: Roman (German Edition)

Titel: Edelherb: Roman (German Edition)
Autoren: Gabrielle Zevin
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»Mr. Kipling, Sie haben mir mal gesagt, dass ich der Schokolade nie entkommen könnte und es deshalb sinnlos wäre, sie zu hassen. Genau das versuche ich jetzt. Ich glaube an diese Idee.«
    Mr. Kipling sagte nichts. Stattdessen fuhr er sich mit den Fingern durch sein nicht vorhandenes Haar. »Ich bin vielleicht nicht mehr dein Anwalt, aber ich verwalte immer noch das Vermögen, Anya.«
    »In zwei Monaten bin ich achtzehn und muss Sie nicht mehr um Erlaubnis bitten«, rief ich ihm in Erinnerung.
    Mr. Kipling sah mich an. »Dann denke ich, du solltest noch zwei Monate warten. Das gibt dir auch mehr Zeit für die Vorbereitung.«
    Ich teilte ihm mit, dass ich bereits einen ausführlichen Business-Plan ausgearbeitet hätte.
    »Trotzdem, wenn das so eine gute Idee ist, wird sie auch noch zwei Monate warten können.«
    Zwei Monate. Die hatte ich nicht. Wer wusste schon, wie es in zwei Monaten bei Balanchine Chocolate aussehen würde? Wer wusste, wo ich sein würde? Jetzt war der richtige Zeitpunkt. Das spürte ich tief in mir.
    »Ich könnte Sie vor Gericht ziehen«, sagte ich.
    Mr. Kipling schüttelte den Kopf. »Das wäre dumm. Du würdest das Geld für Anwaltshonorare verbrennen, und vor August wäre die Sache sowieso nicht geklärt. Wenn ich du wäre, würde ich warten.«
    Er legte seine Hand auf meinen Arm. Ich schüttelte sie ab.
    »Ich mache das nur aus Liebe«, sagte er.
    »Aus Liebe? Deshalb haben Sie wohl auch Nana umgebracht, ja?«
    Ich verließ das Büro niedergeschlagen, aber gleichzeitig fest entschlossen. Ich versuchte, mir jemanden einfallen zu lassen, der mir das Geld leihen würde, das ich für die Mietkaution brauchte. Es waren nur fünftausend Dollar, um den Raum für mich zu reservieren, und ich wollte die Lokalität nicht verlieren. Mir fiel jedoch niemand ein, zumindest niemand, bei dem ich mich mit meinem brandneuen Geschäft hätte verschulden wollen. Ich überlegte, ob ich irgendwas von Wert verkaufen könne.
    Ich war am Rande der Verzweiflung, als mich Mr. Kipling anrief. »Anya, ich weiß, dass wir dieses Jahr so einige Auseinandersetzungen hatten, aber ich habe nachgedacht. Ich weise dir die Zahlungen an, wenn du das wirklich willst. Du hast ja recht, wenn du sagst, dass das Geld in zwei Monaten eh dir gehört. Ich möchte aber, dass du dich bis dahin in einem Universitätsvorbereitungskurs in Betriebswirtschaft oder Jura, Restaurantmanagement oder Medizin einschreibst. Das ist meine Bedingung, wenn ich diese oder andere Zahlungen anweisen soll.«
    »Danke, Mr. Kipling.« Ich nannte ihm den Namen der Maklerin und die Summe.
    »Du hast von einem Wirtschaftsanwalt gesprochen. Hat diese Person auch einen Namen?«
    »Charles Delacroix. Ich nehme an, den muss ich Ihnen nicht buchstabieren.«
    »Anya Pavlova Balanchine, hast du den Verstand verloren? Du machst wohl Witze!«
    Ich sagte, ich hätte darüber nachgedacht, und aus einer Vielzahl von Gründen sei Charles Delacroix der Mensch, der meine Bedürfnisse am besten erfülle.
    »Nun, das ist eine äußerst kühne Wahl«, sagte Mr. Kipling nach einer Weile. »Auf jeden Fall unerwartet. Dein Vater wäre sicherlich angetan. Du wirst ein Firmenkonto eröffnen müssen.«
    »Das hat Mr. Delacroix auch gesagt.«
    »Ich helfe dir natürlich gerne dabei oder bei allem, was du sonst noch brauchst, Annie.«
    Auf meinem Weg zur ehemaligen »Höhle des Löwen«, wo ich Charles Delacroix treffen sollte, um den Mietvertrag zu unterschreiben, kam ich an der St. Patrick’s Cathedral vorbei. Ich beschloss, hineinzugehen und kurz zu beten.
    Es war nicht so, dass ich ausgesprochene Zweifel hatte. Doch ich wusste, sobald ich den Vertrag unterzeichnet hätte, würde alles in Gang gesetzt werden. Ich schätze, ich war der Ansicht, es sei nicht falsch, für mein neues Unternehmen um Gottes Segen zu bitten.
    Ich kniete mich vor den Altar und senkte den Kopf. Ich dankte Gott, dass Leo zurückgekehrt und Natty nichts passiert war. Ich dankte dafür, dass meine juristischen Probleme hinter mir lagen. Ich dankte für die Zeit, die ich in Mexiko verbracht hatte. Ich dankte für meinen Vater, der mir in der kurzen Zeit, die wir uns kannten, so viele Dinge beigebracht hatte. Ich dankte Gott auch für meine Mutter und Nana. Ich dankte ihm für Win, weil er mich auch dann liebte, wenn ich ziemlich sicher wenig liebenswert war. Und ich dankte ihm dafür, dass ich Anya Balanchine war und nicht irgendein anderes Mädchen. Denn ich, Anya, war aus ziemlich hartem Holz
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