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_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste

_ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste

Titel: _ebook - GER_ - Francesca Shaw - Allerliebste
Autoren: Benutzer1
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dem durch die Erkrankung und den Umzug der Großtante entstandenen Durcheinander war sie durch die Nachrichten vom Tod des bei einem Kutschunfall ums Leben gekommenen Bruders, den sie kaum gekannt hatte, und des plötzlich durch einen Schlaganfall verstorbenen Vaters wenig berührt worden. Der Familienanwalt hatte sich um alles gekümmert. Nach einem halben, in verschiedenen Unterkünften verbrachten, ziemlich schlechten Jahr, in dem er alles, was er finden konnte, verkauft hatte, um Sir Humphreys Schulden begleichen zu können, war ihr mitgeteilt worden, dass ihr nur das Haus und das Land geblieben waren.
    Nicht zum ersten Mal dachte sie daran, wie gut es war, dass Maria, ihre frühere Gouvernante, sich erboten hatte, sie nach Rye End Hall zu begleiten. Plötzlich vernahm sie den Schmerzensschrei eines Jungen, rannte, Hut und Mantel liegen lassend, über die Lichtung und zwängte sich durch ein dichtes Gebüsch. Unvermittelt sah sie zwei Rangen vor sich, die keinen Tag älter als zehn Jahre sein mochten.
    Einer von ihnen, ein drahtiger Rotschopf, befreite sich von den Ranken eines Brombeerstrauchs, in dem er sich verfangen hatte, während sein Gefährte, ein noch schmutzigeres Kind, vier baumelnde und sehr tote Fasanenhähne an den Beinen in Händen hielt.
    Einen Moment lang starrten die Kinder Antonia erschrocken aus weit aufgerissenen Augen an. Als sie einen Schritt auf sie zumachte, ließen sie die Fasane fallen und stoben davon.
    Die Einheimischen fingen in ziemlich jungem Alter mit der Wilderei an! Antonia bückte sich und hob die noch warmen Fasane auf. Zweifellos wurden die Wilddiebe durch den Umstand ermutigt, dass niemand die Jagdaufsicht ausübte, denn Sir Humphrey hatte, als er vor Schulden nicht mehr aus noch ein wusste, die Bediensteten bis auf die schlampige Haushälterin entlassen. Die Fasane gehörten Antonia, da sie auf ihrem Besitz getötet worden waren, und würden wenigstens an diesem Abend ein gutes Essen hergeben.
    „Auf frischer Tat ertappt!“ rief jemand triumphierend mit rauer Stimme hinter ihr.
    Geschwind drehte sie sich um und sah zwei kräftige Männer in derben Sachen aus selbst gesponnener Wolle mit Gewehren vor sich, gefolgt von etlichen Terriern. „Hast du so etwas schon mal gesehen, Nat? Eine Wilddiebin, so wahr ich jetzt neben dir stehe! Gib mir die Vögel, meine Hübsche, und geh uns widerstandslos voran.“ Antonia wollte einwenden, sie habe die Fasane soeben erst aufgehoben, dachte dann jedoch an die beiden mageren, verängstigten Kinder und an das, was ihnen passieren würde, wenn die Männer sie fassten, und beschloss zu schweigen.
    Die beiden Jagdhüter näherten sich ihr. Einer nahm ihr die Vögel aus den Händen, während der andere sie grob am Arm fasste und dabei das bei dem Kutschunfall schon beschädigte Kleid noch mehr zerriss. Sie wurde wütend und wollte sich ihm entziehen.
    „Lassen Sie mich los!“ herrschte sie den Mann an.
    „Dich loslassen? Ach du liebe Zeit! Nein! Nachdem wir dich auf dem Land Seiner Lordschaft mit den Fasanen Seiner Lordschaft erwischt haben?“ Der Mann grinste und entblößte dabei fleckige Zähne. „Heute ist dein Glückstag, mein Schätzchen! Du wirst dich nicht im Dorfgefängnis langweilen müssen. Oh, nein! Seine Lordschaft ist zu Haus, und da er der Friedensrichter ist, will er jeden Wilderer, den wir fangen, sofort sehen. Und diese Übeltäterin wird er bestimmt gern sehen wollen, nicht wahr, Nat?“

    Verschlagen schauten die beiden Männer sie an. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie ohne Hut und Mantel da stand, das alte Reisekleid zerrissen war und sie keine Anstandsdame bei sich hatte.
    Sie fragte sich, wen die Männer mit „Seine Lordschaft“ gemeint haben mochten. Sie befand sich auf dem zu Rye End Hall gehörenden Land, ihrem Besitz, war jedoch nicht gewillt, sich so weit zu erniedrigen, mit ihnen über ihre Identität zu debattieren.
    Sie hielt es für besser, sich nicht zu erkennen zu geben und so schnell wie möglich aus dem Wald zu kommen. Der Friedensrichter, wer immer er war, würde zumindest ein Gentleman sein, dem sie unter vier Augen alles erklären konnte.
    Anzüglich strich der Jagdhüter ihr durch den Riss im Ärmel über die bloße Haut. Sie bedachte ihn mit einem derart eisigen Blick, dass er ihren Ellbogen sofort losließ und sie dann, als er sich seiner Pflicht wieder bewusst wurde, mit schmerzhaftem Griff am Handgelenk packte.
    Der Weg durch den Wald war zum Glück nur kurz. Dennoch war Antonia,
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