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Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)

Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)

Titel: Durch die Hölle in den Himmel (German Edition)
Autoren: Klaus Plüg
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hielten es dort nicht nur für selbstverständlich, sondern sogar lebensnotwendig, schnellstens die Landessprache zu lernen. Wer in einem fremden Land von den dort lebenden Menschen akzeptiert und geachtet werden will, muss sich natürlich zunächst einmal mit ihnen verständigen können.
    Nun ist er, nach all den Jahren wieder in seiner Heimat und kann sich plötzlich nicht mehr mit seinen Nachbarn unterhalten. Schon gar nicht in einem gesitteten und manierlichen Umgangston. Da ist es doch kein Wunder, dass ihm die ganze Situation, in atemberaubendem Tempo über den Kopf gewachsen war.
    Er wollte noch einen zaghaften Versuch starten, sich ihnen zu erklären und öffnete das Fenster einen Spalt breit, was er sofort bereute.
    Die keifenden Weiber steigerten ihre Wut sofort zu einer Perfektion, der Henry nichts, aber auch rein gar nichts, entgegenzusetzen hatte. Ihm blieb also tatsächlich nichts anderes übrig, als möglichst schnell das Fenster wieder zu schließen und sich somit aus der Gefahrenzone zu bringen.
    Gewissermaßen aus reinem Selbsterhaltungstrieb.
          Diesen Schrecken musste er erst einmal verarbeiten. Bei dem vielstimmigen Gekeife, welches seine Ohren immer noch malträtierte, war das natürlich nicht so ohne Weiteres möglich. Also beschloss er, nachdem er die Schotten erst einmal dicht gemacht hatte, sich langsam wieder zu beruhigen.
    Direkt neben dem geschlossenen Fenster lehnte er sich verzweifelt mit dem Rücken gegen die Wand, sackte langsam daran hinab und endete als hilfloses, menschliches Knäuel am Boden. Außer Sichtweite der Frauen hockte er dort zusammengekauert unter dem Fenster und kämpfte verzweifelt darum, seine Gedanken wieder unter geordnete Kontrolle zu bekommen.
    „Was ist denn bloß da draußen los?“ fragte er sich hilflos. Deprimiert suchte er nach einer vernünftigen Erklärung für das, was sich da vor seinem Fenster abspielte.
    „Natürlich kommen die aus islamischen Ländern“ schloss er messerscharf. „Hier wickelt sich seit fünfzig Jahren keine Frau mehr dieses überflüssige Tuch um den Kopf. Und damals eigentlich auch nur, um die Frisur zu schonen – nicht um ihre Haarpracht, auf die jede normale Frau stolz sein sollte, vor anderen zu verbergen, ganz im Gegenteil – jeder sollte sehen, dass sie beim Friseur war. Aber draußen, bei Wind und Wetter, hat sie die neue Frisur natürlich mit einem Kopftuch geschützt.
    Henry hielt sich selbst zwar für ausgesprochen tolerant, doch was ihm hier geboten wurde, übertraf bei Weitem alles, was seiner Meinung nach, zur Entfaltung der persönlichen Freiheit gehörte.
       „Was soll ich denn verbrochen haben? Ich hab doch nichts anderes mit ihren Kindern getan, als das, was diese Kampfhennen jetzt mit mir machen. Mir ist doch nur etwas, vielleicht ein bisschen zu heftig, rausgerutscht und dafür wollen die mich nun am liebsten gleich umbringen. Was für einen Grund haben die Weiber denn, so aggressiv zu sein? Wieso glauben die hier so ein Geschrei veranstalten zu dürfen, wenn ich mich nicht einmal gegen deren Kinder zur Wehr setzen darf? Ich bin laut geworden, richtig, aber doch nur weil ich meine Ruhe brauche. Ich hab doch schließlich auch ein Recht auf Ruhe. Wo steht denn geschrieben, ich  müsste mir von Kindern alles gefallen lassen? Nein, das muss ich nicht – ich darf mich dagegen wehren.“  
       Die wild keifende Horde vor seinem Fenster, rief Erinnerungen an die bizarre Beerdigung des Ayatollah Khomeini in ihm wach. Damals führten sich die Klageweiber, die den Ober-Mufti zu Grabe tragen wollten, dermaßen hysterisch auf, dass der Verstorbene, mitsamt seinem Sarg, zu Boden gerissen wurde.
       „Was hier auf dem Hof noch fehlt, ist lediglich die Beerdigung. Im Verhalten dieser Furien sehe ich kaum einen Unterschied, zum damaligen im Iran.“
       Henry brachte momentan nicht einmal den Mut auf, sich zu erheben, um seinen halbwegs sicheren Platz unter dem Fenster zu verlassen. Obwohl er nichts lieber täte, als aus dem scharfen, schneidenden Lamento der unverständlichen Beschimpfungen, schnellstens zu entkommen. Als er den Kopf hob, um vorsichtig über die Fensterbank zu spähen, sah er mit Entsetzen die wie wild fuchtelnden Hände und tauchte sofort wieder ab. In dem kurzen Moment war ihm jedoch nicht entgangen, dass einige, relativ ruhig im Hintergrund stehende Frauen, zu all den schwarzen Plünnen auch noch schwarze Handschuhe trugen.
       „Das ist ja hochgradig abartig“, flüsterte er
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