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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Autoren: Marco Vichi
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aus.
    »Die Frau ist zwei Stunden nach dem Mann gestorben, vielleicht auch zweieinhalb«, sagte er und schrieb sich erste Stichpunkte in sein Notizbuch.
    »Bist du dir sicher?«, fragte Casini.
    »Nein, ich mache Witze«, blaffte Diotivede, während er weiterschrieb.
    »Das war eigentlich keine Frage …«
    »Ich muss gehen, ich habe ein Rendezvous mit einer alten Dame.« Der Arzt steckte sein Notizbuch weg.
    »Tot oder lebendig?«
    »Wo ist da der Unterschied?«, fragte Diotivede lächelnd und ging zu seinem Auto zurück; die Tasche baumelte an seiner Seite. Ein Kind mit weißen Haaren, dachte Casini und musste lächeln. Der Arzt wendete und fuhr davon.
    Piras und Casini folgten ihm wenig später und fuhren schweigend die gewundene Straße von Montesenario hinab. Diesen tragischen Vorfall umgab kein Geheimnis, nichts, was man erst herausfinden musste. Es hatte also kaum Sinn, auf den stellvertretenden Staatsanwalt zu warten. Außerdem war Dottor Cangiani kein besonders angenehmer Zeitgenosse.
    Der Kommissar beschäftigte sich schon wieder mit dem vermissten Jungen, und es war offensichtlich, dass auch Piras über ihn nachdachte. Für sie beide war der Fall zu einer Obsession geworden. Es war das erste Mal, dass Casini so im Dunklen tappte, und das gefiel ihm gar nicht. Als sie die Piazza delle Cure erreichten, schüttelte Piras den Kopf.
    »Verflucht, Commissario …«
    »Was ist, Piras?«
    »Ich ertrage das nicht, so untätig herumsitzen zu müssen.«
    »Wir können nichts anderes tun.« Casini zündete sich eine Zigarette an. Piras kurbelte das Seitenfenster hinunter und steckte den Kopf beinahe ganz hinaus, als hätte er Angst zu ersticken. Er hasste Zigarettenrauch und verstand nicht, wie ein intelligenter Mensch seine Zeit mit etwas so Sinnlosem wie dem Rauchen vergeuden konnte. Ein kalter Wind drang in den Wagen und fuhr unter ihre Kleidung.
    »Wenn du möchtest, kann ich sie auch wegwerfen«, sagte der Kommissar.
    »Wenn es Ihnen lieber ist, kann ich auch zu Fuß gehen«, sagte der Sarde gekränkt. Casini zog hastig zwei-, dreimal hintereinander und warf dann die Zigarette fort, woraufhin Piras das Fenster wieder schloss. Nach einer Minute sardischen Schweigens erzählte er die Geschichte, wie man in seinem Dorf ein Mädchen ermordet hatte, als er ungefähr zehn Jahre alt war. Man hatte sie vergewaltigt und erwürgt. In allen Dörfern der Gegend sprach man von nichts anderem. Es dauerte mehrere Monate, bis man den Täter gefunden hatte, und das durch puren Zufall. Während der Messe war dem Priester eines Nachbardorfes ein gelbes Baumwollband aus der Tasche gefallen. Eine Frau, die die Familie des Mädchens kannte, war sich beinahe sicher, das Bändchen wiedererkannt zu haben, und war daher nach der Messe zu den Carabinieri gegangen. Das Mädchen hatte immer einen Pferdeschwanz getragen, und seine Mutter band ihm stets mit einem solchen gelben Band eine Schleife. Der Priester wurde daraufhin verhört. Anfangs gab er sich völlig ahnungslos, aber man konnte sehen, dass er nervös war. Schließlich gestand er. Nach einer Stunde in Haft hatte er sich an den Gitterstäben seiner Zelle erhängt. Er hatte sein Hemd in Streifen gerissen und sich daraus eine Art Strick gedreht …
    »Es ist doch immer wieder ein Vergnügen, solch heitere Geschichten aus deiner Kindheit zu hören.« Casini lächelte bitter.
    »Na ja, zumindest hat man den Mörder gefasst …«
    »Wir sollten nicht so voreilig sein. Es ist nicht gesagt, dass der Junge wirklich ermordet wurde«, sagte der Kommissar gegen seine Überzeugung.
    »Mit dreizehn läuft man noch nicht mit einer Freundin davon«, knurrte Piras.
    »Warten wir es ab. Man kann nie wissen.«
    Sie waren am Präsidium angekommen. Casini ließ den Käfer im Hof stehen, verabschiedete sich von Piras und ging dann zu Fuß in die Trattoria Da Cesare auf dem Viale Lavagnini. Er begrüßte den Besitzer und die Kellner und schritt wie immer direkt in die Küche, wo der apulische Koch Totò seine täglichen Schlachten mit Töpfen und Dunstwolken schlug. Dort nahm der Kommissar seit mittlerweile vielen Jahren seine Mahlzeiten ein.
    Totò war in Hochform, wie eigentlich immer. Ein Meter fünfzig überquellende Leibesfülle und schwarze Haare, die überall hervorsprossen. Er begrüßte den Kommissar und empfahl ihm Schweinerippchen mit Augenbohnen, eine toskanische Spezialität. Casini nickte ergeben. Er war schon viele Male mit dem Vorsatz in die Küche gekommen, weniger zu essen, doch nur
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