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Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz

Titel: Dunkle Wasser in Florenz - Roman: Dunkle Wasser in Florenz
Autoren: Marco Vichi
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mit den Händen durch die Luft.
    »Nichts würde ich lieber tun, Dottore«, sagte Casini ruhig.
    »Und warum verschwenden Sie dann Ihre Zeit? Haben Sie die Zeitungen gelesen? Polizei unfähig! Das Präsidium schläft. « Er ging auf Casini zu und wedelte dabei mit einer Ausgabe von »La Nazione« durch die Luft.
    »Wir tun unser Möglichstes.«
    »Nichts als Worte! Jetzt kommen Sie endlich in die Gänge, Teufel noch mal!«
    »Er ist spurlos verschwunden«, sagte Casini und hatte auf einmal große Lust, sich die Zigarette, die er zwischen seinen Fingern hielt, doch anzuzünden.
    »Niemand verschwindet spurlos.« Inzipone warf die Zeitung fort und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Casini kam näher, blieb aber stehen.
    »Wir werden ihn finden«, sagte er mehr zu sich als zum Polizeipräsidenten.
    »Das hoffe ich für Sie, Commissario. Heute Morgen hat mich in aller Herrgottsfrühe der stellvertretende Verkehrsminister angerufen. Avvocato Pellissari und er sind eng befreundet.«
    »Ach, das wusste ich nicht. Das ändert natürlich alles, Sie werden sehen, dass wir den Jungen noch heute wiederfinden.«
    »Werden Sie nicht unverschämt, Commissario«, sagte der Polizeipräsident und schob bedrohlich das Kinn vor. Casini steckte sich die Zigarette in den Mund und zündete sie an.
    »Dann werde ich mich mal klarer ausdrücken. Es kümmert mich herzlich wenig, wessen Sohn das ist.«
    »Und glauben Sie etwa, bei mir ist das anders?«, fragte Inzipone, erbost über diese Unterstellung.
    »Ich spreche nie für andere, Dottore.« Casini grüßte mit einem leichten Kopfnicken und wandte sich zur Tür. Er hörte, wie der Polizeipräsident wieder aufstand und dabei seinen Sessel quietschend nach hinten schob.
    »Ihre Art gefällt mir nicht, Commissario.«
    »Ich bin untröstlich«, sagte Casini, ohne sich umzudrehen.
    »Und Sie wissen sehr gut, dass ich mit dieser Meinung nicht allein dastehe.«
    »Ich empfehle mich, Dottore.«
    »Es wird schon seine Gründe haben, dass Sie in Ihrem Alter nur Commissario Capo sind …«, stieß der Polizeipräsident leise zwischen den Zähnen hervor, aber Casini hörte es trotzdem. Er verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Am liebsten wäre er jetzt mit Botta in den nebelverhangenen Hügeln herumgelaufen, um zwischen verwelktem Laub nach Pilzen zu suchen. Als er sein Büro betrat, saß Piras bereits vor seinem Schreibtisch und wartete auf ihn.
    »Bleib sitzen …«, sagte er, doch der Sarde war bereits aufgestanden. Der Mann humpelte noch, weil ihm ein Jahr zuvor mehrere Kugeln ein Bein zertrümmert hatten. Piras war gerade mal zweiundzwanzig, aber seine herausragenden Fähigkeiten hatten Casini so überzeugt, dass er ihn bei jeder Ermittlung an seiner Seite haben wollte. Außerdem war er der Sohn von Gavino Piras, seinem ehemaligen Waffengefährten, und ihm deshalb noch mehr ans Herz gewachsen. Gavino hatte im Krieg einen Arm verloren, aber er arbeitete immer noch als Bauer. Im Grunde hatte auch er unglaubliches Glück gehabt … Casini erinnerte sich noch daran, wie Gavino eine Handgranate an der Brust getroffen hatte, die aber nicht explodiert war. Sie war an seiner Uniform abgeprallt und dann wie ein Stein zu Boden gefallen. In der Eile hatte der Nazi vergessen, den Sicherungsstift zu ziehen, und Gavino hatte ihn mit seinem Maschinengewehr erledigen können.
    »Selbst die Handgranaten haben Angst vor den Sarden, Comandante«, hatte Gavino danach mit einem begeisterten Funkeln in den Augen Casini zugeflüstert. Dass er überlebt hatte, war ein reines Wunder, das wusste er sehr genau.
    »Commissario, Sie wollten mich sprechen?«, fragte der junge Piras.
    »Ich wollte meinen Ärger mit dir teilen.«
    »Denken Sie das, was ich denke?«
    »Leider ja.« Sie mussten nicht aussprechen, dass sie mittlerweile beide davon überzeugt waren, der Junge sei tot. Keine Lösegeldforderung, keine Anrufe.
    »Hoffen wir, dass wir uns irren, Dottore«, sagte Piras, der inzwischen wieder Platz genommen hatte. Casini trat ans Fenster und schaute hinaus. Zur Abwechslung regnete es wieder, nachdem es gerade mal für zwei Tage trocken geblieben war.
    »Was machen wir jetzt, Piras? Sollen wir noch einmal die Protokolle lesen? Sollen wir sie aufessen? Oder Boccia spielen gehen? Was zum Teufel sollen wir tun?«
    »Wenn ich ehrlich sein darf …«
    »Sag schon.«
    »Uns bleibt nur die Hoffnung, dass wir die Leiche finden.«
    »Verfluchter Regen«, zischte Casini und starrte auf die großen Tropfen,
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