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Dunkelerde: Gesamtausgabe

Dunkelerde: Gesamtausgabe

Titel: Dunkelerde: Gesamtausgabe
Autoren: Alfred Bekker
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verstehen.”
    „Das beantwortet meine Fragen nicht.”
    „Ich habe es niemals gelernt. Ich... ich kann es ganz einfach.”
    „So plötzlich?”
    „Ja, so plötzlich, Jule, ich kann es doch auch nicht so richtig erklären. Das war vorhin erst, kurz bevor du gekommen bist.”
    „Diese seltsamen Tierlaute... War das die Geheimsprache?”
    Pet nickte nur.
    Jule trat näher. Sie zögerte kurz. Dann reichte sie ihm das Buch zurück. „Lies weiter!”
    „Wie bitte?”
    „Richtig gehört, Chefalchimist: Ich will wissen, was du da liest. Also nicht in der Geheimsprache, sondern gleich übersetzt, damit normale Ohren auch verstehen, was normale Augen noch nicht einmal sehen können.”
    „Also gut!”, machte Pet verdattert und schlug das Buch wieder auf. Er runzelte die Stirn und stutzte kurz.
    Jule dachte schon, jetzt wären die unsichtbaren Schriftzeichen auch für ihn unsichtbar geworden und wollte eine diesbezügliche abfällige Bemerkung machen, aber dann begann Pet mit monotoner Stimme - so monoton, dass es Jule eisig kalt über den Rücken lief - zu übersetzen:
    „Zehn Jahre ist es her. Deshalb schreiben wir das Jahr Zehn nach er Gründung von Valurema, der weltumspannenden Alchimisten-Organisation. Es war alles am Anfang so wahnsinnig schnell gegangen. Innerhalb von Stunden waren wir uns bewusst geworden, dass die Anderen existierten, zwar räumlich getrennt von der unseren, aber dennoch erreichbar. Die Freude war groß, doch die Ernüchterung folgte bald: Wir konnten uns gegenseitig zwar erreichen, über jegliche Entfernung hinweg, aber wir sprachen alle verschiedene Sprachen. Deshalb gründeten wir Valurema, den Bund der Alchimisten, einen Geheimbund. Diejenigen, die die größten sprachlichen  und grammatischen Kenntnisse hatten, machten sich daran, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Aber eine, die mehr war, als nur ein einfaches Verständigungsmittel. Sie hatte magische Bedeutung. Es wurde wahre Geheimsprache der Alchimisten.
    Ich war einer von ihnen. Mehr noch: Ich wurde ihr Barosch, ihr Führer. Das Wort Valurema war noch willkürlich gewählt, aber die Sprache, die wir schufen, durfte nicht klingen wie eine menschliche Sprache. Wir wählten Laute jener Tiere, die für uns magische Bedeutung haben. Wir ahmten ihre Laute nach, kombinierten sie mit den anderen und spürten dabei ihre magische Wirkung.
    In jener Zeit fragte sich niemand von uns, wie es denn möglich war, dass wir plötzlich über große räumliche Entfernungen hinweg miteinander ohne Mühe in Verbindung treten konnten, was vorher niemals gelang. Ja, was hatte dies ermöglicht?
    Keiner konnte für sich allein darauf kommen. Nein, es bedurfte der kollektiven Zusammenarbeit. Diese jedoch war nur möglich, wenn wir eine gemeinsame Sprache sprachen. Valuremisch.
    Und als dies gelungen war, schlossen wir uns zu einem geistigen Verbund von unvorstellbarem Ausmaß zusammen zu. Es war, als hätte die Erde selber angefangen zu denken. Wir waren sozusagen das Gehirn der Erde - der belebten Erde zumindest. Alle anderen Lebewesen waren die Zellen eines Lebenskörpers, der die Welt umspannte. Ein grandioses Gefühl, das wir lange auf uns einwirken ließen, indem wir gemeinsam in unserer gemeinsamen Sprache darin schwelgten.
    Ich machte schließlich den gewagten Vortritt, indem ich die Frage stellte, wie dies denn alles möglich geworden war - so unvermittelt, wie es schien.
    Die Wahrheit fanden wir schnell heraus: Es war keineswegs zufällig geschehen, sondern war abhängig von der Gesamtzahl der praktizierenden und damit gleichzeitig aktiven Alchimisten. Das hieß, es musste weltweit eine bestimmte Anzahl von Alchimisten gleichzeitig sich mit den Dingen beschäftigen, die sich außerhalb normaler menschlicher Vorstellung befanden. Noch niemals zuvor hatte es genügend Alchimisten gegeben, um dies zu ermöglichen - bis vor zehn Jahren! Bis eben zur Gründung von Valurema.
    Faszinierend und erschreckend zugleich. Faszinierend wegen den Möglichkeiten, die sich uns dadurch eröffneten - erschreckend wegen den Gefahren, die der Welt drohten, falls wir bei der Ausübung dieser ungewohnten Machtfülle Fehler begingen...
    Nun, da du diese Worte liest, Auserwählter, weißt du, dass nicht die Faszination obsiegte, sondern das Entsetzen! Du liest dies, weil wir versagt haben, in unserem Wunsch, mit unserer Macht das Gute zu bewirken und dabei das Dunkle unterschätzten.
    Nicht dass du dies nun falsch verstehst, Auserwählter... Ach, vergiss diesen
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