Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
nicht. Etwas Schlimmes wartete auf der anderen Seite der Tür. Aber Jan gestand sich auch endlich ein, daß er sich innerhalb der nächsten Sekunden übergeben würde, und allein die Vorstellungder damit verbundenen Peinlichkeit reichte aus, ihn alle anderen Bedenken vergessen zu lassen. Selbst wenn er gewußt hätte, daß Darth Vader mit gezücktem Lichtschwert auf der anderen Seite der Tür auf ihn wartete, hätte er die Toilette betreten müssen.
    Er öffnete die Tür, machte einen großen Schritt in den Raum und fiel der Länge nach hin.
    Seine Reflexe waren jedenfalls noch in Ordnung. Er schaffte es nicht ganz, den Sturz abzufangen, drehte aber immerhin den Kopf zur Seite und schob die linke Hand zwischen sein Gesicht und die Fliesen, die ihm plötzlich entgegensprangen. So tat er sich einfach nur weh, statt sich ein paar Zähne auszuschlagen. Immerhin war der Aufprall hart genug, um ihn einen Moment lang benommen zu machen und für einen noch kürzeren Augenblick sogar die Übelkeit vergessen zu lassen.
    Nicht, daß ihm diese Veränderung gefiel. Im Gegenteil. Jan war noch nie zuvor bewußtlos gewesen, aber wenn das, was er nun spürte, eine beginnende Ohnmacht war, dann konnte er getrost darauf verzichten. Er hörte ein dumpfes, an- und abschwellendes Pochen und Dröhnen, das zweifellos nichts anderes als das Geräusch seines eigenen Herzschlags war, aber etwas nie Gekanntes, Angstmachendes mit sich brachte, und er sah aus den Augenwinkeln eine Wand formloser, wogender Schatten hinter sich, ungefähr dort, wo die Tür gewesen sein mußte. Dann klärten sich seine Sinne wieder. Die Übelkeit kam zurück, seine linke Hand tat noch weher als bisher, und die Schatten hinter ihm blieben.
    Jan stemmte sich mühsam auf die Ellbogen hoch, kämpfte mit aller Macht den Brechreiz nieder, der seinen Magen jetzt wie Stiefeltritte traktierte, und drehte gleichzeitig weiter den Kopf.
    Im nächsten Augenblick hatte er Übelkeit und Schmerzen vergessen.
    Er war nicht gefallen, weil ihm sein Körper den Dienst verweigert hatte. Er war über etwas gestolpert – genauer gesagt über jemanden , der unmittelbar hinter der Tür lag; deutlich gesagt: über den Betrunkenen, der vorhin hereingekommen war. Der Mann mußte noch versucht haben, den Raum zu verlassen, um Hilfe zu rufen, hatte es aber nicht mehr geschafft. Er lag auf der Seite, gekrümmt, in einer Haltung, als hätte sich jeder einzelne Muskel in seinem Körper verkrampft, mit zu Fäusten geballten Händen und weit aufgerissenen Augen, in denen noch eine Spur von Leben war und ein unendlich großer, körperloser Schmerz.
    Und er war nicht allein.
    Der Schatten war wieder da, und diesmal konnte Jan ihn sehen.
    Es war tatsächlich nur ein Umriß; etwas wie ein blinder Fleck auf der Netzhaut, der immer mitwanderte, wenn man versuchte, ihn zu fixieren, so daß er nie wirklich da, aber auch nie wirklich verschwunden war. Etwas, das man nur aus dem Augenwinkel heraus wahrnehmen konnte und das einen wahnsinnig machte, weil es sich jedem Versuch der Scharfeinstellung entzog. Ein Schatten, dem der Körper abhanden gekommen war.
    Und das Ding starrte ihn an.
    Jans Herzschlag schien für eine Sekunde auszusetzen. Die Kälte, die bisher nur in seiner linken Hand gewesen war, brach aus ihrem Gefängnis aus und ließ seinen gesamten Körper erstarren, und er spürte zum erstenmal wirklich , was damit gemeint war, wenn man sagt, daß einem die Angst die Kehle zuschnürt. Er bekam keine Luft mehr. Er konnte nicht mehr denken. Alles, was noch existierte, waren der Schatten und die Furcht vor dem Ding , das über den reglosen Körper gebeugt dastand wie ein Raubtier, das sein Opfer geschlagen hatte, sich aber noch nicht daran weidete, sondern plötzlich in eine andereRichtung starrte, als hätte es eine weitere, lohnende Beute gewittert. In Jans Richtung. Unsichtbare Augen taxierten ihn, schätzten ihn ein, wogen Aufwand gegen Belohnung ab und kamen zu einem Ergebnis. Dann streckte das Ding langsam eine schattenhafte, rauchige Hand nach ihm aus und …
    … berührte ihn.
    Die Hand des Dunklen berührte ihn nicht wirklich, sondern drang in ihn ein, müheloser, als seine Hand in Wasser oder flüchtiges Gas eingedrungen wäre, als hätte sein Körper umgekehrt für sie nicht mehr Substanz als der des Schatten- Dings für ihn. Die Hand suchte, tastete, sondierte und fand . Jan wollte schreien, aber er konnte es nicht. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er bekam keine Luft mehr. Sein Herz schlug
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher