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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Überraschung und Schrecken an, dann schüttelte er den Kopf, schöpfte sich zwei weitere Hände voll Wasser ins Gesicht und trank abschließend einen Schluck davon.
    Genauer gesagt: Er wollte es.
    Das Wasser schmeckte so widerwärtig, als hätte jemand die Anschlüsse mit denen des Pissoirs vertauscht. Jan spuckte es angewidert aus, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und verzog angeekelt das Gesicht. Was, um alles in der Welt, war mit diesem verfluchten Wasser los?
    Er sammelte Speichel unter seiner Zunge und spuckte solange aus, bis sich sein Mund so trocken und pelzig anfühlte, als hätte er seit einer Woche nichts mehr getrunken. Aber er wurde den gräßlichen Geschmack einfach nicht los.
    Heute war wirklich nicht sein Tag.
    Die Tür ging auf, und ein dunkelhaariger Mann in schäbiger Kleidung und ein flackernder, rauchiger Schatten betraten die Toilette.
    Jan blinzelte. Der Schatten verschwand, aber der Kerl blieb so schäbig, wie er im ersten Moment ausgesehen hatte. Seine Kleider sahen aus, als hätte er sie vor zwei oder drei Jahren aus einem weißen Plastiksack mit einem aufgedruckten roten Kreuz gefischt, und sein Dreitagebart war keine modische Verirrung, sondern einfach nur ungepflegt. Jan widerstand der Versuchung, sich zu dem Mann herumzudrehen, verfolgte ihn aber verstohlen im Spiegel. Er schwankte deutlich hin und her, und seine Augen hatten einen ungesunden, trüben Glanz. Als er dicht hinter Jan vorbeiging und eine der Kabinen ansteuerte, wehte der Hauch einer Alkoholfahne herüber. Einen Moment lang fragte Jan sich, ob er vorhin beim Verlassen des Kinos den gleichen Anblick geboten hatte. Die Antwort war kein eindeutiges Ja, aber, um der Wahrheit die Ehre zu geben, auch kein überzeugendes Nein.
    Er mußte noch einmal an den seltsamen Schatten denken, den er gesehen hatte, als der Betrunkene das Klo betrat. Nein, nicht gesehen hatte . Gesehen zu haben glaubte . Dieser Unterschied war wichtig. Er war nicht auf dem Damm, und anscheinend spielten ihm nicht nur sein Magen, sondern auch seine Augen den einen oder anderen geschmacklosen Streich. Aber er würde den Teufel tun und sich selbst einreden, daß er schon zu halluzinieren begann. Trotzdem – etwas an diesem Schatten war … unheimlich gewesen, oder – um bei Jans Lesart zu bleiben – interessant . Er hatte gar nicht richtig ausgesehen wie der Schatten eines Mannes, sondern eben anders . Jan speicherte den Eindruck – und auch die Worte – im Gedächtnis, so gut er konnte, und beschloß, sich später noch einmal in Ruhe damit zu befassen. Vielleicht konnte er es irgendwie gebrauchen.Möglicherweise in ein Bild einbauen; auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wie.
    Er wartete, bis der Mann in der Kabine verschwunden war, dann drehte er sich rasch um und verließ die Toilette so schnell, als laufe er vor irgend etwas davon. Ohne innezuhalten, stürmte er die Treppe hinab.
    Abrupt blieb er stehen, schloß für eine Sekunde die Augen und atmete zweimal hintereinander bewußt tief und langsam ein und aus. Er fühlte sich jetzt besser, aber ihm war immer noch ein wenig mulmig zumute. Den widerlichen Geschmack im Mund wurde er einfach nicht los.
    Jan sah auf die Uhr. Er war jetzt seit gut fünf Minuten hier draußen. Wie er Katrin kannte, würde sie jetzt zum erstenmal in die Richtung blicken, in der er verschwunden war, und sich fragen, wo er nur blieb. Aber so konnte er nicht zurück. Sein Magen hatte sich ein wenig beruhigt, aber die Übelkeit war noch da. Sie sammelte nur Kraft für einen weiteren Angriff. Er mußte irgend etwas essen. Und vor allem etwas trinken, um den üblen Geschmack loszuwerden.
    Statt in den Kinosaal zurückzugehen, wandte er sich nach rechts und steuerte mit übertriebenem Elan die Popcorntheke an. Unterwegs wühlte er in seiner Hosentasche, fand eine Handvoll Kleingeld und überschlug rasch im Kopf, daß es gerade für eine Cola und eine Packung Chips reichen würde – die Preise hier im »Cinedom« orientierten sich durchaus an dem großzügigen Ambiente, das der aus Beton, Stahl und Glas errichtete Vergnügungspalast bot. Egal. Er brauchte kein Festmahl, sondern nur etwas, um seinen Magen zu beruhigen.
    Großer Gott, noch sechzig Minuten! Wenn er diesen bescheuerten Film noch eine geschlagene Stunde ertragen mußte, war er entweder vor Langeweile gestorben oder derartig verblödet, daß die körperliche Schwäche seine geringste Sorge darstellte …
    Jan erstand eine Papprolle mit gesalzenen
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