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Duncans Lady

Duncans Lady

Titel: Duncans Lady
Autoren: Emilie Richards
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Gefühl wahrnehmen, das ihn durchfuhr.
    „Sie ist erschöpft“, sagte Dr. Sutherland. „Lass sie jetzt in Ruhe. Sie muss sich ausruhen, oder ich kann für nichts garantieren.“
    „Nein, ich muss das noch zu Ende bringen.“ Mara hatte kein Gefühl in den Händen, so fest drückte Duncan zu, aber sie zog sie nicht fort. Sie brauchte die Verbindung zu ihm, um mehr zu sehen.
    „Vielleicht solltest du besser auf ihn hören“, sagte Duncan. „Ich will nicht, dass dir etwas geschieht.“
    Mara schloss die Augen. Einen Moment lang fürchtete sie, es gäbe nichts mehr, was sie noch in Erfahrung bringen könnte. Sie hörte Duncan atmen, das leise Knirschen der Autoreifen im Schnee auf der Straße … und den wilden Schrei eines Adlers.
    Sie schien erneut zu fliegen. Die schrecklichen Bilder waren verschwunden. Aber auch die Wildblumen, die sie gesehen hatte, waren fort. Sie sah eine Schnellstraße, eine Schlucht mit modernen Häusern und einem riesigen Parkplatz an einem Ende. Dann befand sie sich fernab der Zivilisation auf einem Gebirgspass. Hier war der Schnee dichter. Ein Steinadler stieg in die Höhe, um in den unberührten weißen Berghängen nach Beute zu suchen.
    Unter ihr umschlossen die Berge einen Talkessel. Sie erspähte ein paar Rinder, ein Dutzend oder mehr, zottig und breit, zwischen den Bergen zusammengepfercht. Dann verschwanden die Rinder.
    Sie hörte ein Kind weinen. Und die beruhigende Stimme einer Frau, dann einen Schrei. Und sie begriff.
    Sie entzog Duncan die Hand. Mehr würde sie nicht sehen. Sie wartete einen Moment, ehe sie die Augen aufschlug. Sie ließ die Vision so lange auf sich wirken, wie es ging, und versuchte sich alles zu merken, was sie gesehen hatte.
    Dann öffnete sie die Augen. „Sie zelten. Sie sind ganz allein in einem kleinen Tal zwischen zwei Gipfeln. Lisa wollte nicht, dass andere Leute sie sehen, für den Fall, dass du nach ihr suchst. Also ist sie mit April an eine einsame Stelle gefahren, und sie haben sich ein gemütliches Lager gebaut. Aber sie hat nicht damit gerechnet, dass es schneien würde und ist darauf nicht vorbereitet. Als sie versucht hat … oder wenn sie versuchen wird …“ Hilflos zuckte sie die Achseln. Sie war sich nicht sicher, ob das, was sie gesehen hatte, bereits geschehen war oder nicht.
    „Weiter!“, drängte Duncan.
    „Es wird einen Unfall geben, oder es hat ihn bereits gegeben. Ich kann es nicht sagen. Lisa wird verletzt und kann April nicht in Sicherheit bringen. Und wegen des Schnees und der Kälte sind beide in Gefahr.“
    „Wie fühlst du dich, Mädchen?“, fragte Dr. Sutherland.
    Sie schüttelte den Kopf, ohne ihn anzuschauen. „Duncan?“
    Seine Stimme war sanft, als hätte er Angst, ihr wehzutun. „Es tut mir leid, Mara, aber Lisa hat niemals in ihrem Leben gezeltet oder ist mit einem Rucksack durch die Gegend gezogen. Ihre Vorstellung von einem einfachen Leben besteht darin, dass sie in ein Motel anstatt in ein Viersternehotel geht.“
    „Lisa hat sich verändert.“ Sie sah den Zweifel in seinen Augen. Für sie war es, als seien all ihre Gefühle erschöpft. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie noch mehr ertragen konnte, doch in ihrem Inneren begann sich erneut ein Gefühl von Gefahr zusammenzubrauen. „Duncan, du musst mir glauben. Dort ist April, und du musst sie finden.“
    „Ich weiß, dass du etwas gesehen hast, Mara. Ich glaube dir jedes Wort, und ich weiß, wie schrecklich es für dich sein muss, was du durchgemacht hast. Aber du musst begreifen, dass das vollkommen untypisch für Lisa ist. Völlig. Du kennst sie nicht, sonst würdest du wissen, dass ich recht habe. Sie würde gar nicht auf die Idee kommen, mit April zelten zu fahren.“
    „Sie hat es getan.“
    „Brauchst du mich noch, Mädchen?“, fragte Dr. Sutherland. „Soll ich noch ein Weilchen bei dir bleiben?“
    „Ich werde keine weiteren Visionen haben“, sagte sie. Sie hielt ihm die Hand hin. „Vielen, vielen Dank.“
    Er nahm ihre Hand und hielt sie einen Augenblick fest. „Hast du dich jemals geirrt? Hattest du schon einmal eine Vision, die nicht eingetreten ist?“
    „Ich habe noch nie gesehen, dass Frauen und Kinder vor meinen Augen abgeschlachtet werden“, sagte sie. Ihre Stimme brach. „Soll ich glauben, ich hätte sie ohne jeden Grund gesehen?“
    Er drückte ihre Hand. An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Hör gut zu, was sie sagt, Duncan“, sagte er. Dann schloss er die Tür hinter sich.
    „Wirst du mir zuhören, Duncan?
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