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Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch

Titel: Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
Autoren: Eva Almstädt
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einen Abschiedsbrief?«
    »Bisher hat sich keiner gefunden.« Schelling zog sich die Kapuze seines weißen Overalls herunter und kratzte sich am Kopf. »Wenn du meine Meinung hören willst: Die Tote hat alles wohlgeordnet hinterlassen. Die getragenen Kleidungsstücke zum Beispiel, die sauber gefaltet über dem Stuhl liegen. Das ist typisch. Außerdem weist die Leiche Probeschnitte auf, bevor die Pulsadern geöffnet wurden. Ein Suizid wie aus dem Lehrbuch.«
    »Können Sie sich einen Grund dafür vorstellen, warum Ihre Mutter sich das Leben genommen hat?« Pia und Broders saßen Jörg Seesen im Wohnzimmer des Hauses gegenüber. Er hatte ihnen einen Platz in einer weichen, mit grauem Leder bezogenen Sitzgruppe angeboten. Pia vermied es, sich anzulehnen. Sie wusste nicht, ob sie ohne Hilfe wieder hochkommen würde.
    »Nein, überhaupt keinen! Ich hatte eher den Eindruck, dass meine Mutter sich auf die bevorstehende Hochzeit freut. Oxana und ich wollen heiraten. In anderthalb Wochen ist es … wäre es so weit gewesen. Wir werden es wohl verschieben.«
    Er runzelte die Stirn und schüttelte dann abwehrend den Kopf.
    »Glauben Sie, dass Ihre Mutter ihrem Leben nicht selbst ein Ende gesetzt hat?«, fragte Pia vorsichtig.
    »Nein! Was soll denn sonst passiert sein?«
    Genau das war die Frage.
    »Wer stand Ihrer Mutter nahe?«
    »Wir. Ihre Familie natürlich.«
    »Was ist mit Ihrem Vater?«
    »Er ist gestorben. Ein Unfall. Das ist schon ewig her.«
    »Ein Autounfall?«
    »So ungefähr. Mit dem Trecker …« Er zögerte. »Mutters Familie, das sind nur meine Schwester Carola und ich. Carola wohnt auch in Düsterbruch. Alle anderen, Geschwister meiner Eltern und so, sind tot.«
    »Hat sich Ihre Mutter gut mit Ihrer zukünftigen Frau verstanden?«
    »Ja, natürlich.« Jörg Seesen presste die Kiefer aufeinander.
    »Ist in den letzten Tagen etwas Besonderes vorgefallen? Etwas, das den Entschluss Ihrer Mutter, sich umzubringen, ausgelöst haben könnte?«
    »Nein. Bis auf unsere Hochzeitsvorbereitungen. Vielleicht war das letzten Endes doch alles etwas zu viel für sie.« In seinem Gesicht spiegelten sich unterschiedliche Emotionen. Pia meinte Schock, Trauer, Ärger und ein gewisses Schuldbewusstsein herauszulesen. Aber auch das war normal. Er fragte sich bestimmt, ob er aufmerksam genug gewesen war oder ob er ihren Selbstmord hätte verhindern können.
    »Wer hat Ihre Mutter zuletzt lebend gesehen?« Broders arbeitete die Routinefragen ab.
    »Oxana und ich. Meine Mutter fühlte sich gestern nicht so wohl. Sie ist nach dem Abendbrot gleich zu Bett gegangen. So gegen neun. Als sie heute Morgen nicht wie gewohnt zum Frühstück erschien, ging Oxana hoch und … und hat sie gefunden.«
    »Inwiefern fühlte Ihre Mutter sich nicht wohl?«
    »Wir hatten gestern Nachmittag eine Art Hochzeitsprobe in der Kirche. Es wird eine deutsch-russische Hochzeit. Eine richtige Swabda , wie Oxana es nennt. Sie machen sich keinen Begriff, an was man da alles denken muss. Meine Mutter kam plötzlich in die Kirche gestürzt. Sie hatte eine Art … Nervenzusammenbruch, meinte Doktor Godewind.«
    »Ist das Ihr Hausarzt? Hat er Ihre Mutter untersucht?«
    »Er war kurz hier, aber sie hat nicht mit ihm gesprochen. Sie hat gar nicht mehr gesprochen.«
    Seltsam. Pia sah zu Broders hinüber. Der nickte. Auch den Hausarzt würden sie befragen müssen. Und da war auch noch Oxana Markowa, die ja wohl ebenfalls Zeugin des sogenannten Nervenzusammenbruchs gewesen war. Sie ließen Jörg Seesen gehen und baten ihn, seiner Verlobten Bescheid zu sagen, dass sie auch befragt werden sollte.
    »Möchten Sie mit Frau Markowa oder mit Oxana Alexejewna angeredet werden?«, fragte Pia, nachdem Seesens Lebensgefährtin ihren Namen zu Protokoll gegeben hatte. Pias Nachbar Andrej hatte ihr mal erklärt, was es mit Vor-, Vaters- und Nachnamen in Russland auf sich hatte.
    »Das ist mir beides recht«, sagte Oxana und lächelte zurückhaltend. Sie hatte anmutig in einem Sessel gegenüber von Pia und Broders Platz genommen. Eine ungewöhnlich schöne Frau, dachte Pia, aber erst auf den zweiten Blick. Sie schien ungeschminkt zu sein, oder sie war so geschickt, dass es nur so aussah, als wäre sie es. Sie trug Jeans, eine helle Baumwollbluse und flache Schuhe und schaffte es, darin auch noch elegant auszusehen. Oxana Markowa antwortete präzise, wenn auch zurückhaltend auf ihre Fragen. Als sie zu dem Vorfall in der Kirche kamen, geriet sie ins Stocken. »Hedwig kam plötzlich rein.
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