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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise
Autoren: Manfred Rebhandl
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Handtuch um den Hals, sodass ich dann irgendwie aussah wie Rocky Balboa, wenn der frühmorgens zum Training aufbrach. Allerdings schüttete ich mir zum Frühstück keine rohen Eier hinunter wie dieser Spinner, sondern Schnaps. Dann setzte ich mir die Bärenjägermütze auf und sprang in die Zottelstiefel hinein, bevor ich mir dann noch den langen Pelzmantel überwarf, den mir Guttmann vor Jahren als Dank für meine Mithilfe bei der Klärung eines blutigen Familiendramas ausgehändigt hatte: Der unsympathische Teil einer serbischen Mafiafamilie war damals von einem Kerl geführt worden, der in etwa meine Statur gehabt hatte und obendrein eine Vorliebe für teure Pelzmäntel, jedenfalls bis zu seinem tragischen Tod durch mehrere Salven aus einer AK-47. Bevor die Spurensicherung in sein Haus gekommen war, hatte Gutti den Mantel aus dem Kasten des Großmauls genommen und an mich weitergereicht, und ich hatte ihn mir einfach angezogen, obwohl es draußen knapp 30 Grad gehabt hatte. Als ich damit dann hinausspaziert war und mich die Jungs gefragt hatten: „He, was hast denn du da für einen schönen Pelzmantel an, ist dir nicht ein bisschen heiß?“, da hatte ich einfach gesagt, dass ich von Natur aus zu viele verdammte weibliche Hormone produzierte und mir deswegen immer kalt an den Füßen war, und sofort wusste jeder, wie es mir ging, denn eine Alte, der immer kalt an den Füßen war, die hatte jeder zuhause. Nur der Chef der Abteilung war von Natur aus ein bisschen skeptisch und hatte gemeint: „Dafür, dass du so viele weibliche Hormone produzierst, hast du aber eine ganz schön tiefe Stimme und einen verdammt dichten Bartwuchs.“ Aber man konnte es nicht allen recht machen.
    Als ich dann endlich die Tür hinter mir zusperrte und auf die Straße hinaustrat, packte mich statt der Depression die Kälte am Eiersack, denn ich hatte ganz vergessen, mir eine Unterhose anzuziehen. Aber sei’s drum! Es stand ja nur ein kurzer Klinikbesuch auf dem Programm, und nicht meine Eier würden dort gefragt sein, sondern die von Lemmy.
    ***
    Lemmy hatte sich fein herausgeputzt, als ich ihn unten in seinem Plattenladen abholte, er trug das Gleiche wie immer, nur dass er sich für diesen Anlass extra den Che-Guevara-Button ans Revers seiner speckigen Lederjacke Marke „Neverwithoutme“ geheftet hatte, und im Winter trug er darüber halt noch seinen alten Militärmantel, der ihm ein paar Nummern zu groß war, und in den er hineinsteigen musste wie in ein Zelt. Das Teil war aus schwerem Stoff, der ihn beinahe niederdrückte, und manches Krümelchen Dreck hatte sich darauf angesammelt.
    Lemmy war mittlerweile so schwach, dass ich nicht nur ihn stützen musste, sondern auch seinen Mantel, also fragte ich: „Möchtest du dir nicht endlich mal so eine leichte Outdoor-Jacke zulegen?“
    Er fragte: „Meinst du so eine für Bergsteiger? Also ich weiß nicht.“
    Wie eine alte Frau hakte er sich dann bei mir unter, als ich ihm meinen Arm anbot, die paar Stufen hinauf von seinem Plattenladen an die frische Luft waren für ihn wie eine Alpenüberquerung, was uns einiges an wertvoller Zeit kostete. Sein hinfälliger Körper glich mittlerweile einer Ruine, in der ein Wrack wohnte, es war wirklich schwer zu glauben, dass es so einer zum Star im Springflower hatte bringen können.
    Seit ich nicht mehr aus den Federn gekommen war, hatte es einen schönen Haufen geschneit, aber Lemmy wollte mir nicht helfen, meinen Datsun freizuschaufeln, er wollte seine Kraft für den großen Auftritt sparen. Also winkte ich einen kleinen Türken herbei, zog einen Schein aus der Tasche und sagte: „Willst du dir vielleicht ein paar Mäuse verdienen, Mustafa?“ Der Kleine nahm den Schein und fragte: „Wie?“
    Ich erklärte es ihm, aber bevor ich ihm die Schaufel geben konnte, lief er mit meinem Schein davon. Sympathischer Zug eigentlich, dass er die Arbeit scheute, aber in diesem Moment hasste ich ihn dafür, also schoss ich ihm einen Schneeball an den Hinterkopf und schrie ihm nach: „Wie willst du es denn jemals aus der Armutsfalle schaffen, wenn du dir sogar für eine Schneeschaufel zu schade bist?“
    Kaum ging er zu Boden, war ich von einer kleinen Armee türkischer Halbstarker umzingelt, die mich töten und ihrem Kebab untermischen wollte, aber Lemmy entschärfte die Situation mit der Ruhe einer alten Nutte und verteilte kleine Appetithäppchen besten Grases, mit denen er sich die Kundschaft für morgen anfütterte. Er nannte ihnen noch Preise und
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