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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman
Autoren: Franz Kabelka
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Vokabel, findet Hagen, mit nostalgischem Beigeschmack. Schon wie sich das
ie
schier endlos dehnen lässt, drückt es mehr von der selbstgefälligen Erregung aus als jedes andere Wort.
    Am meisten weiß sich der Laub zu echauffieren. Wolfgang Laub, ein Oberstudienrat aus Stuttgart.
Ich lege Wert darauf, dass man meinen Vornamen nicht zu einem Wolfi verstümmelt!
Schon beim ersten Treffen der Neuankömmlinge, beim Kennenlernabend, wo sich das Ärzte- und Therapeutenteam der Station vorstellte und man einander beschnupperte, ist der Mann unangenehm aufgefallen. Seine endlose Fragerei –
zwecks besserer Orientierung
, so Laubs ständige Floskel,
noch eine schnelle Frage zwecks besserer Orientierung!
– hat bewirkt, dass man am Ende des Kennenlernabends nur eines bis ins letzte Detail wusste: was alles in der Klinik verboten ist. Denn ausschließlich für Regeln, geschriebene wie ungeschriebene, zeigte der Herr Oberstudienrat Interesse. Mit einem wie ihm in der Gruppe hat sogar der seelisch Stabilste schnell einen Schaden weg. Natürlich leidet Laub, wie die meisten hier, an Burnout, im
Sonnblick
ist man ja auf Ausgebrannte spezialisiert. Was auch die überproportional große Anzahl von Lehrern und Sozialarbeitern unter den Patienten erklärt. Früher, als die österreichische Krankenkasse noch anstandslos alles bezahlte, kamen sie angeblich zuhauf von der anderen Seite der Grenze; jetzt halten Selbstbehalt und Mehraufwand doch die meisten davon ab. Derzeit scheint Hagen der einzige Vorarlberger im Haus zu sein, worüber er heilfroh ist. Und der einzige Kriminalpolizist. Darauf hat ihn der geschniegelte Chefarzt auch gleich angesprochen, zum Glück unter vier Augen: Er freue sich, einmal einen waschechten Kommissar in seinem Haus begrüßen zu dürfen. Da werde man sich in den nächsten sechs Wochen ja ganz besonders sicher fühlen …
    Depp!, dachte Hagen und lächelte wie eine polierte Zweieuromünze. Das hat er schon gefressen, wenn sich ein Mann die Wimpern einfärbt!
    Und dennoch muss er Major Ender im Nachhinein noch dankbar dafür sein, dass der ihn dazu gedrängt hat, ins
Dütsche
zu gehen. Man stelle sich vor: In der Gruppentherapie hockt dir einer gegenüber, den du einmal eingebuchtet hast!
Wär’ was für die Analen
, wie der liebe Kollege Winder zu witzeln pflegt,
Analen mit einem „n“ …
    Die Klinik
Sonnblick
, das ist Ausland und doch fast wie daheim. Kleine Unterschiede, große Wirkung. So wie mit der Betonung im Wort Kaffee: In Österreich, egal ob in der Großstadt oder im kleinsten Kaff, trinkt man immer Kaffée. Dass die bitter gerösteten Samen des Kaffeestrauchs in Deutschland auf der ersten Silbe betont werden, betrachtet Hagen als symbolhaft für die unterschiedliche Mentalität: Káffee, das klingt schon wesentlich akkurater und prosaischer als Kaffée, dessen lyrisch-beschaulicher Klang geradezu zum Zurücklehnen und Zeitungslesen einlädt. Was Hagen allerdings nicht zu negativen Schlussfolgerungen verführt, was sein derzeitiges Umfeld betrifft. Früher hat er, wie jedermann in der Alpenrepublik, über die Piefkes hergezogen, hier aber lernt er ihre Andersartigkeit schätzen. Gerade, weil sie ihn, dezent, unaufdringlich und bisweilen etwas unterkühlt, in der Anonymität des Patientenstatus belassen. Wenn man von Ausnahmen wie Laub einmal absieht. Er fühlt, wie eine amorphe Masse ihn einhüllt, die ihm zuraunt: Zeit, Herr Hagen, nehmen Sie sich ruhig Zeit, wir sind da für Sie, jawohl, wir passen schon auf Sie auf. Ein wohliges Jawohl, eines, das so gar nichts Militärisches an sich hat.
Herr Hagen!
Hier ist er ein Ziviler unter vielen, nicht der durchgedrehte Chefinspektor. Herrlich unbekannt sich und den anderen.
    Er nippt wieder an seiner dampfenden Tasse.
    Dass sie außerhalb von Dublin keinen gehörigen Kaffee auftreiben konnten, hätte Lisa fast dazu gebracht, den Irlandurlaub vorzeitig zu beenden. Beziehungsweise rechtzeitig … In Bewley’s Coffeeshop war die Welt noch heil, da mischten sie einem die Sorten sogar auf Verlangen, und es gab Walnussbrot mit salziger Butter dazu, was köstlicher schmeckte als jeder Kuchen. Aber außerhalb der Hauptstadt verstand man unter Kaffee praktisch ausschließlich Nescafé. Den wollte Lisa partout nicht schlucken. Aber nach der Übernachtung bei Mrs. O’Reilly in Galway wird alles anders. Mrs. O’Reilly hat nämlich eine Tochter, Susan, die sich im größten Hotel am Lough Corrib im mittleren Management verdingt. Das Hotel ist eigentlich
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