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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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verlangt er hart und herzlos.
    »Wir bringen sie ja schon um. Alles, was wir tun und besitzen, bringt sie um.« Ich sehe Vanek an. »Der Mann im Rat sagte, es werde höchstens noch eine oder zwei Generationen dauern. Also sind sie nicht sehr viele. Vielleicht achthundert, die Letzten ihrer Art, die Letzten dieser Lebensform. Wir sollten sie zu retten versuchen.«
    »Das muss ich mir von dir nicht anhören!«, ruft mein Vater. »So etwas lasse ich mir von meinem Sohn nicht gefallen!«
    Ich richte mich so hoch wie nur möglich auf. »Du hast die Leute da draußen gesehen. Sie haben Angst, sie sind verloren und wollen nichts als überleben. Das sind nicht die Leute, die Mom getötet haben.«
    Er nähert sich mir um einen weiteren Schritt. »Deine Mutter war mein einziges großes Glück, und ihre Mörder sollen büßen. Anfangs hielt ich es eher für eine falsche Entscheidung, dass ihr eigener Sohn für meine Verbrechen den Kopf hinhalten sollte.« Er hält inne, schluckt die Tränen hinunter und spricht heiser und mit gebrochener Stimme weiter. »Aber wenn ihr Sohn sich den Killern angeschlossen hat, dann schwöre ich bei Gott, seinem Leben ein Ende zu setzen.« Er kommt noch näher. »Beweis es oder stirb auf der Stelle.«
    »Du kannst nicht gewinnen.« Vanek beobachtet mich aufmerksam. »Wenn du dich uns anschließt, bringt er dich um, wenn du auf seiner Seite stehst, begehst du einen Völkermord.«
    Ich schüttle den Kopf. »Es gibt einen anderen Weg.« Ich deute auf den Schacht und betrachte meinen Vater voller Verzweiflung. »Ich setze allem ein Ende, ohne jemanden zu töten.«
    Er späht hinab, weicht zurück und starrt mich wieder an, ohne die Waffe sinken zu lassen. »Was ist da unten?«
    »Das, was unser Leben zerstört hat.« Ich trete zum Bett. »In diesem Raum bin ich geboren worden. Man hat mich in den Schacht hinuntergelassen und mir dadurch etwas in den Kopf eingepflanzt. Nun kehre ich dorthin zurück.«
    Lucy legt mir eine Hand auf den Arm. »Glaubst du, so kann Vanek entweichen?«
    »Ich lasse ihn nicht entweichen. Ich setze die anderen da unten zusammen mit ihm fest.«
    »Nein!«, ruft Vanek. Lucy packt mich am Arm.
    »Sie werden dich zerstören«, warnt sie mich. »Wenn du so viele Geister im Kopf hast, kannst du dich nicht einmal mehr bewegen.«
    »Dann können sie es auch nicht. Sie werden aufgesaugt – ich versuche sie in mich hineinzuziehen, und dann sind sie gefangen.«
    »Das wagst du nicht!«, droht Vanek.
    »Ich schlage mich schon mein ganzes Leben lang mit falschen Realitäten herum«, sage ich und deute auf ihn. »Sie und die anderen werden sich darin verirren.«
    »Du bist verrückt!«, knurrt mein Vater.
    Ich fahre zu ihm herum. »Ich bin verrückt und habe dennoch recht. Deshalb bin ich das ideale Gefängnis.«
    Vanek springt mich an, stößt Lucy zur Seite und versetzt mir einen Faustschlag ins Gesicht. Ich taumle zurück. Mein Vater schreit auf, Lucy geht auf Vanek los und will ihn wegziehen. Er ist zu stark. Nun packt er mich und schlägt meinen Kopf auf den Fußboden.
    »Michael!«, ruft mein Vater. »Was tust du dir da an?«
    »Halt mich!«
    Vanek versetzt mir einen Tritt gegen die Brust, ich kann nicht mehr atmen und keuche, ringe verzweifelt nach Luft. »Ich bin es nicht, es ist … halt mich fest!«
    Mein Vater kommt, wehrt Vaneks Trommelfeuer aus Tritten und Schlägen ab, dann packt er mich an einem Bein und zerrt mich über den Boden zum Schacht. Er fängt auch den zweiten Fuß ein und hält unerbittlich fest, und auf einmal kann Vanek ihm nichts mehr tun – er steht einfach schäumend vor Wut untätig an der Seite.
    »Das kannst du nicht tun!«, schreit Vanek. »Selbst wenn du sie alle in deinem Geist einsperrst, da draußen sind noch Hunderte! Du hältst uns nicht auf!«
    »Ich muss niemanden aufhalten. Ohne Sie und Ellie werden sich die anderen besinnen. Einige haben es schon getan. Sie wollen die Spezies nicht vernichten, deren Teil sie geworden sind.«
    Vanek springt, doch mein Vater hält meine Beine nur noch fester umklammert. Ich kann mich nicht rühren, und Vanek kann ihm nichts tun.
    Ich blicke zu Lucy hinüber. »Ich weiß nicht, was aus mir wird, aber …« Ich halte inne. »Ich liebe dich.«
    Tränen schießen ihr in die Augen. »Ich bin nicht einmal real.«
    »Für mich bist du es.« Einen kurzen Moment lang starre ich sie an und wage den Blick nicht abzuwenden.
    Noch immer hält mein Vater mich eisern an den Füßen fest. »Ich kann dich nicht fesseln, wenn du
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